Mozillas Firefox OS: Revolution im Smartphone-Inneren
Konkurrenz für Google Android und Apple iOS: Mozillas mobiles Betriebssystem Firefox OS ist eine echte Alternative zu den Etablierten.
BERLIN taz | Rein äußerlich sieht es nicht nach Revolution aus. Ein paar runde Icons, über die sich auf Kamera, Adressbuch, Wettervorhersage und Ähnliches zugreifen lässt. Ein Programm, um Musik abzuspielen, einen Kartendienst, ein eigenes Portal für Apps. Firefox OS, das neue Smartphone-Betriebssystem von Mozilla, das seit dieser Woche auch in Deutschland verfügbar ist, hinterlässt nicht den Eindruck, als habe es die Smartphone-Nutzung neu erfunden.
Und doch könnte es den Anstoß dazu geben, den Markt grundlegend zu verändern. Bislang ist es so: Wer sich ein Smartphone kauft, muss eine Frage beantworten, die an eine Entscheidung über die Religionszugehörigkeit grenzt: Android oder iOS? Google oder Apple? Vergleichsweise anpassbares Betriebssystem, hinter dem ein großer Konzern steht oder starres dafür gefälliges Betriebssystem, hinter dem ein großer Konzern steht?
Die meisten Nutzer – europaweit fast 50 Prozent (in Deutschland über 60) – haben sich für Android entschieden. An zweiter Stelle mit knapp 40 Prozent (in Deutschland über 30) kommt Apples iOS. Dann ganz lange nichts.
Danach der Rest. Systeme von Blackberry und Microsoft und freie Betriebssysteme wie Cyanogenmod, die einen Nachteil haben: Wer sie installiert, verliert in der Regel die Garantie auf sein Gerät. Schlechte Zeiten also für alle, die keine Lust auf große Konzerne mit allen ihren Nebenwirkungen von Datensammeln bis zu mutmaßlichen Hintertüren für die NSA haben.
„Nutzer können sich derzeit gerade aus Datenschutzsicht nur zwischen zwei nicht optimalen Systemen entscheiden“, sagt Florian Glatzner vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Das ist eine vorsichtige Formulierung: So interessiert sich etwa Apple schon lange für den Standort des Nutzers und perspektivisch wohl auch für dessen Fingerabdrücke, Google kann unter anderem Mails, Termine und Dokumente mitlesen, die über Dienste wie Gmail laufen. Dazu kommt: Viele installierte Apps haben mangels Vorgaben vollen Zugriff auf alle Daten des Telefons – und nutzen ihn auch, um diese an ihre Anbieter weiterzugeben.
Konkurrenz ist gut
Das freie Betriebssystem von Mozilla bietet nun eine Art Mittelweg: eine Alternative für alle, die weder Google noch Apple wollen. Aber auch nicht gleich lernen, wie man sein Betriebssystem aufknackt und selbst ein anderes installiert. „Konkurrenz ist gut, vor allem, wenn sie tatsächlich so viel Wert auf Datenschutz legt, wie Mozilla das vorher angekündigt hat“, sagt Glatzner. Doch kann sich Mozilla, als neben den Platzhirschen immer noch kleiner Anbieter, zur ernsthaften Konkurrenz entwickeln?
Karsten Gerloff, Geschäftsführer der Free Software Foundation Europe, meint: ja. „Wenn jemand die Chance hat, ein weiteres freies Betriebssystem am Markt zu etablieren, dann am ehesten Mozilla“, sagt Gerloff. Das liegt nicht nur daran, dass die gemeinnützige Stiftung über ein solides Budget und ein weltweites Netz von Entwicklern verfügt.
Auch hat sie sich schon einen Namen gemacht mit dem Browser Firefox und dem entsprechenden Pendant für Mobiltelefone. Das ist ein wichtiger Faktor: Kennen Nutzer ein Programm bereits, wissen, wie die Oberfläche aussieht, und haben ein Gefühl für die Bedienung, ist die Hemmschwelle, es etwa auf einem anderen Gerät einzusetzen, geringer. Dass die Zeit reif ist für einen Wandel der Branche, zeigen weitere Entwicklungen.
Orignalsysteme mit Sicherheitslücken
So arbeiten die Macher von Cyanogenmod derzeit an einer Entwicklung, um das System ein Stück aus der Nische herauszuholen: In Kürze soll eine App auf den Markt kommen, mit der auch technisch nicht Versierte das freie Betriebssystem installieren können. Gerade wenn es also um ältere Geräte geht, deren Garantie sowieso abgelaufen ist, wird Cyanogenmod damit zur Alternative für veraltete Orignalsysteme mit ihren Sicherheitslücken.
Bereits kommende Woche startet ein weiteres Angebot: die mobile Version des Linux-Betriebssystems Ubuntu, das wegen seiner intuitiven Bedienung besonders bei Einsteigern beliebt ist. Die Chancen steigen, dass ein Nutzer, will er die großen Anbieter umgehen, für sein Telefon eine Alternative findet.
Damit Verbraucher umfassende Wahlmöglichkeiten haben, muss sich die Branche allerdings noch ein Stück weiter bewegen: „Es wäre absolut wünschenswert, die Kopplung zwischen Hardware und Betriebssystem aufzulösen“, sagt Glatzner. Dann könnten Nutzer – wie beim PC – Gerät und Betriebssystem selbst miteinander kombinieren. Und sich bei Nichtgefallen ein anderes installieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht
Denkbar knappste Mehrheit