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Moscheebau"Der pensionierte Studienrat wird aktiv"

Auseinandersetzungen um neue Moscheebauten wie jetzt in Köln sind eine wichtige Vorstufe der Integration, meint Sozialgeograf Thomas M. Schmitt.

Baulicher Ausdruck von Kooperation: Moschee in Mannheim. Bild: dpa
Sabine am Orde
Interview von Sabine am Orde

taz: Herr Schmitt, im Streit um den geplanten Moscheebau in Köln lässt der islamische Dachverband Ditib, der Bauherr, die Höhe der Minarette vom Architekten noch einmal überprüfen. Wäre mit kleineren Minaretten etwas gewonnen?

Bild: Privat
Im Interview: 

THOMAS M. SCHMITT (39) ist Kultur- und Sozialgeograf an der Universität Bonn. Er hat über "Moscheen in Deutschland. Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung" an der Technischen Universität München promoviert. Gegenwärtig forscht er vor allem über das Unesco-Weltkulturerbe in Algerien und Marokko. Schmitt ist praktizierender Katholik, aber privat auch durchaus für andere Religionen offen.

Thomas Schmitt: Das wäre ein Zugeständnis, das einigen Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen könnte. Aber das gilt natürlich kaum für die Rechtspopulisten von Pro Köln, die Moscheen grundsätzlich verhindern wollen.

Warum ist die Höhe der Minarette denn so wichtig?

Vielen Gegnern gelten Minarette als Herrschaftssymbol des Islam. Historisch betrachtet hatten Minarette natürlich einmal diese Funktion, genau wie das bei christlichen Kirchen der Fall war. Bei Muslimen stehen die Minarette oft für Heimat. Man kann Minarette also als Machtanspruch der Muslime interpretieren - aber auch als Zeichen der Integration einer Bevölkerungsgruppe, die jetzt erstmals baulich sichtbar wird.

In Duisburg gibt es ein Bauprojekt, das dem in Köln sehr ähnlich ist: Gebaut wird eine repräsentative Moschee mit hohen Minaretten, der Bauherr ist Ditib, der Bauort - wie in Köln - ein Stadtteil mit einem hohen Migrantenanteil. In Duisburg gab es keine Proteste. Warum?

Duisburg hatte seine heftige Islam-Debatte bereits vor zehn Jahren, als zwei Moscheevereine den lautsprecherverstärkten Muezzinruf beantragt hatten. Die Stadtpolitik hat aus den damaligen Fehlern gelernt und das Moscheebauprojekt sehr intensiv begleitet. Es wird innerhalb der Moschee ein Begegnungszentrum geben, das vom Land gefördert wird. Eine städtische Entwicklungsgesellschaft begleitet den Bau, der Duisburger Moscheeverein macht eine vorzügliche Öffentlichkeitsarbeit.

Das macht Ditib in Köln doch auch. Wo ist der Unterschied?

Ja, Ditib kann man nichts vorwerfen. Und natürlich gibt es auch Unterschiede: In Duisburg wird die Moschee in einer zurückgezogenen Ecke gebaut, in Köln zentral an einer Ringstraße. Die Moschee wird also nicht nur für die Anwohner, sondern im Stadtbild insgesamt präsent sein. Außerdem haben die Stadtteile einen unterschiedlichen Charakter: Duisburg-Marxloh ist in der Wahrnehmung schon ein türkischer Stadtteil, Köln-Ehrenfeld ist gemischt.

Heißt das zugespitzt: Die deutsche Bevölkerung hat Marxloh schon aufgegeben, deshalb kann dort eine große Moschee gebaut werden?

Das kann man so interpretieren. Und man muss natürlich berücksichtigen, dass durch Pro Köln der Protest aus der ganzen Stadt kommt.

Jenseits von Pro Köln - wer wird gegen Moscheen aktiv?

Ich bin häufig auf den Typ pensionierter Studienrat getroffen - auf Leute um die 60, die über eine ordentliche Rente und eine gute Bildung verfügen. Sie haben wohl Verlustängste, fürchten sich vor der Orientalisierung ihres Lebensraums und vor dem Islam. Sobald aber die NPD oder Rechtspopulisten auftreten, kann sich das Spektrum sehr verändern.

Sie haben in den 90er-Jahren mit ihrer Forschung begonnen - also weit vor dem 11. September 2001. Seitdem hat sich die Debatte über den Islam verschärft. Spielt diese Diskursverschiebung eine Rolle?

Es hat keine Diskursverschiebung gegeben: Die Konflikte, die ich in den 90er-Jahren beobachtet habe, haben lokal vorweggenommen, was dann später eine bundesdeutsche Debatte wurde. Schon damals tauchten alle Argumente wie der islamische Fundamentalismus und die Unterdrückung muslimischer Frauen auf.

Sind Konflikte wie in Köln die Regel bei Moscheebauten oder eher die Ausnahme?

Es gibt kaum einen Moscheebau ohne sozialen Konflikt, aber die Heftigkeit ist unterschiedlich.

Wo ist es gut gelaufen?

Ich habe ein Lieblingsbeispiel: In Lauingen, einer schwäbischen Kleinstadt, ist in den 90er-Jahren ein repräsentativer Kuppelbau gebaut worden.

Ohne Konflikte?

Fast. Und das lag vor allem am Bürgermeister, der sich damals für einen Bau mit Kuppel und Minarett stark gemacht hat, nach dem Motto: Wenn schon Moschee, dann richtig. Dieser CSU-Politiker hat sich mit seinem ganzen Amtsgewicht und seinem Charisma für den Bau eingesetzt und hat die Kirchen und die Opposition miteinbezogen.

Geht das nur in einer Kleinstadt?

Wenn sich in einer Kleinstadt die Schlüsselakteure dafür aussprechen, geht es dort leichter. Aber wenn sie dagegen sind, wird es eben auch extrem schwierig. So war es in Bobingen bei Augsburg der Fall: Dort haben Stadtrat und Bürgermeister mehrere Jahre lang einen Minarettbau mit baurechtlichen Mitteln bekämpft. Nach drei Gerichtsverfahren hätte das Minarett schließlich gebaut werden können, die Moscheegemeinde hat dann aber darauf verzichtet. In einer Großstadt dagegen gibt es einfach mehr Akteure; die Strukturen sind komplexer.

Gibt es in großen Städten auch positive Beispiele?

In Gladbeck im Ruhrgebiet zum Beispiel. Dort hat die Politik zunächst versucht, die Moschee mit Hilfe des Bebauungsplans zu verhindern. Eine öffentliche Debatte gab es nicht. Hier hat sich ganz deutlich gezeigt, wie wichtig die Angst der Politiker vor möglichen Reaktionen der deutschen Bevölkerung ist.

Und wie wurde daraus ein positives Beispiel?

Dann kam die Kommunalwahl, ein Wechsel in der Stadtspitze, und plötzlich war Unterstützung für die Moschee da. Der Bürgermeisterkandidat der CDU hat sich sogar im Wahlkampf eindeutig für den Moscheebau ausgesprochen. Und nachdem er gewählt worden ist, hat er das innerhalb von ein paar Monaten über die Bühne gebracht.

In Mannheim dagegen gab es einen heftigen öffentlichen Streit, heute gilt die dortige Ditib-Moschee als Vorzeigebeispiel in Sachen Offenheit und Dialog. Gibt es eine solch produktive Wende häufiger?

Bei Moscheekonflikten passiert es häufig, dass sowohl die Kommunalpolitik als auch der Moscheeverein irgendwann merken, dass sie gegensteuern müssen. Dann kommt es zu einer verstärkten Kooperation, die die Konflikte entschärfen und sogar lösen kann. Dadurch wird auch sichtbar, dass die Integration der muslimischen Minderheit kein Automatismus ist, sondern dass die Mehrheitsgesellschaft und die muslimischen Vereine etwas dafür tun müssen. Insofern haben Moscheekonflikte eine wichtige Funktion.

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1 Kommentar

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  • T
    Tom

    Die (bislang) größte Moschee in Deutschland heißt "Yavuz-Sultan-Selim-Moschee" (moschee-mannheim.de, DITIB).

     

    Zum Namensgeber:

     

    "Noch in Kairo ordnete er [selim I.] die Hinrichtung von 50 000 Einwohnern an, nachdem zuvor etwa die gleiche Anzahl Schiiten von Todesschwadronen getötet worden war, die er ins gesamte Reich hatte ausschwärmen lassen.

     

    Nicht genug damit, sollten auch alle im Reiche lebenden Christen liquidiert werden,

    eine Maßnahme, deren Undurchführbarkeit der agierende Wesir ihm nur mit äußerster Mühe - und natürlich unter Einsatz seines eigenen Lebens - verdeutlichen konnte."

     

    Dr. Hans-Peter Raddatz, "Von Allah zum Terror ?", S.140.