Morgens 7.20 Uhr in Deutschland: Ein ausgeschlafener Typ
CDU-Chef Friedrich Merz wurde am Donnerstag zur besten Stunde im Deutschlandfunk erwartet. Aber er hatte Wichtigeres zu tun.
Von Edmund Stoiber weiß man, dass er Frühaufsteher ist. Genauer gesagt, man erfährt es sehr schnell, wenn man mal nach „Friedrich Merz Frühaufsteher“ googelt. Denn dann stößt man auf die Geschichten, wie der damalige CSU-Chef mit der damaligen CDU-Chefin im Jahre 2002 beim Frühstück zusammensaß und die anstehende Kanzlerkandidatur klärte. Und dass er um 6.15 Uhr pflegte aufzustehen.
Über Friedrich Merz aber erfährt man nichts. Nur dass sich kein Text googeln lässt, der Merz und frühes Aufstehen in Zusammenhang bringt. Das sagt schon einiges. Jedenfalls mehr als Merz am Donnerstag um 7.20 Uhr. Da wurde der CDU-Chef im Deutschlandradio als Interviewpartner angekündigt. Er sollte über die Klausur der Ampelkoalition räsonieren. Und über das Gipfeltreffen der Unionsfraktion auf der Zugspitze.
Allen, die anders als alle Hauptstadtjournalist:innen noch nie um die Uhrzeit Deutschlandradio gehört haben, sei erklärt, dass der Sender seine „Informationen am Morgen“ nicht zu Unrecht als „Flaggschiff“ einstuft. Redakteur:innen erzählten mal in einem Werkstattbericht, dass selbst Angela Merkel während ihrer Kanzlerschaft Stammhörerin war. Und dass das Interview um 7.20 Uhr das Highlight ist. Hans-Dietrich Genscher habe in seiner Zeit als Außenminister gelegentlich sehr früh angerufen und sich um den Gesprächsplatz beworben. Es ist ein Termin, an dem kluge Politiker die Agenda eines Tages vorgeben können.
Und was sagte Friedrich Merz? Nichts. Man habe, sagte der Moderator um 7.20 Uhr, Merz anders als verabredet nicht ans Telefon bekommen. Man versuche es erneut um 8.10 Uhr. Doch dann wurden der Bericht „Neue Erkenntnisse zu Kardinal Wölki“ gesendet. Die neue Erkenntnis zu Merz hieß: er habe keine Zeit wegen eines wichtigen Termins.
Glatt sympathischer
Was aber mag plötzlich so wichtig gewesen sein um 7:20 Uhr? Musste Merz zeigen, dass er trotz des Habeck’schen Diktums länger duschen kann? Hat ihn die Performance der Ampel sprachlos gemacht? Oder hat er vor den Ohren der Nation verpennt? Wir wissen es nicht. Aber es würde den Friedrich glatt ein wenig sympathischer machen.
Frühaufsteher wie Stoiber werden Kanzlerkandidat. Mehr nicht. Merke: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Aber der Wurm, der verschläft, kommt durch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Israelis wandern nach Italien aus
Das Tal, wo Frieden wohnt