Mordserie der NSU: Der brave Soldat Mundlos
Uwe Mundlos, Mitglied der NSU, fiel in seiner Zeit bei der Bundeswehr mehrfach als Neonazi auf. Befördert wurde er trotzdem.
BERLIN/HAMBURG taz | Knapp ein halbes Jahr war Uwe Mundlos bei der Bundeswehr, als die Polizei ihn festnahm. Mit zwei Freunden war er am 13. August 1994 in Chemnitz einer Polizeistreife aufgefallen. Die Beamten fanden bei ihm unter anderem vier Visitenkarten, auf denen Adolf Hitler abgebildet war.
Auch ein Bild von Rudolf Heß hatte Mundlos dabei, somit bestand der „Verdacht einer Straftat im Zusammenhang mit dem Todestag von Rudolph Heß“. Bis zum 15. August war Mundlos in Gewahrsam. Bei einer Durchsuchung der elterlichen Wohnung in Jena stellte die Polizei „Flugblätter der NPD sowie 15 Musikkassetten mit rechtsextremem Gedankengut“ sicher. Das geht aus Ermittlungsunterlagen hervor, die der taz vorliegen.
Dass der spätere NSU-Terrorist Uwe Mundlos während seiner Wehrdienstzeit rechtsextrem aufgefallen ist, war bislang nicht bekannt. Und dass die Bundesregierung erst jetzt zugab, dass deshalb der Militärische Abschirmdienst (MAD) Kontakt mit ihm hatte, sorgt seit Dienstag für Empörung.
Die Sicherheitsbehörden Sachsen-Anhalts haben nun doch eine Kopie der Akte des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) zur Vernehmung des NSU-Terroristen Uwe Mundlos in ihren Archiven entdeckt. Das Dokument sei zunächst nicht gefunden worden, da sie in der Rubrik „Texte und Tonträger von Skinhead-Gruppierungen“ abgelegt war, erklärte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) am Mittwoch in Magdeburg. (dapd)
Die Bundeswehr, bei der Mundlos damals diente, erfuhr von dessen Festnahme. Wenige Tage später wurde er von der 1. in die 6. Kompanie des Panzerbataillons 381 im thüringischen Bad Frankenhausen versetzt, wo er fortan als „Geschäftszimmersoldat“ Dienst schob. Ob die Versetzung im Zusammenhang mit seiner rechtsextremen Auffälligkeit steht, ist unklar.
Dienst zur vollen Zufriedenheit
Der neue Kompaniechef jedenfalls beantragte im September sieben Tage Disziplinararrest für Mundlos. Die Einleitung eines disziplinargerichtlichen Verfahrens hielt er aber nicht für notwendig. Denn „Mundlos erfüllt seinen Dienst bisher zur vollen Zufriedenheit und fiel bisher nicht negativ auf“. Er würde sich im „dienstlichen Bereich mit seiner Einstellung zurückhalten“ und sei „ein Einzelgänger“, der „nicht in der Lage“ sei, „andere mitzureißen“.
Beim „Abschlussgehör“ war Mundlos dann allerdings sehr szenetypisch. In der Niederschrift vom 12. September 1994 heißt es: „Soldat erklärt, er will nicht aussagen“. „Ich will – nicht –aussagen“, unterschrieb Mundlos. Am 28. September wird der Panzergrenadier Mundlos zum Gefreiten befördert. Am 31. März 1995 endet seine Wehrdienstzeit.
Drei Wochen vorher hatte er vom Bundeswehr-Geheimdienst Besuch bekommen. Anlass der MAD-Befragung war, dass Uwe Mundlos mit fünf weiteren Soldaten rechtsradikale Musik gehört hatte. Das Protokoll der Vernehmung, das jetzt wieder aufgetaucht ist, liegt der taz vor. Er sei „politisch unmotiviert“ und lehne körperliche Gewalt ab, behauptete Mundlos. Er wurde auch gefragt, „ob er sich vorstellen könne, ihm bekannt gewordene Termine für Anschläge auf Asylantenheime der Polizei oder den Verfassungsschutzbehörden zu melden“, so das Protokoll. Mundlos verneinte dies.
Mundlos vergessen
Der MAD verschickte im Juni 1995 ein Schreiben zu diesem Fall an die Verfassungsschutzämter in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie das Bundesamt. Selbst vergaß die Behörde Mundlos offenbar. Im September 2002 informierte der MAD das Thüringer Landeskriminalamt, dass dem Dienst keine Erkenntnisse zu Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe vorlägen. Das Verteidigungsministerium kann heute nicht sagen, ob die Akte zu diesem Zeitpunkt schon vernichtet worden ist.
Heute betont das Verteidigungsministerium, dem der MAD untersteht, dass nicht versucht worden sei, Mundlos als Informant „anzuwerben“. Allein schon wegen der „geringen Restdienstzeit“ sei das „zu keiner Zeit beabsichtigt“ gewesen.
Wenn das stimmt, wollte der MAD aber vielleicht schon mal vorfühlen, ob Mundlos als Quelle für einen anderen Dienst in Frage gekommen wäre. Der MAD versuchte auch in den Folgejahren mehrfach, rechtsextreme Wehrpflichtige auszufragen oder für die Mitarbeit zu gewinnen. Bei Tibor R. etwa hatten sie Erfolg. Es fanden Treffen statt – mit dem MAD sowie Mitarbeitern des Thüringer Verfassungsschutzes. Bei einem der Treffen, am 25. März 2001, gab Tibor R. an, „die drei ’Bombenbauer‘ persönlich“ zu kennen.
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