Mordfall Burak Bektaş in Berlin: Justiz soll nach rechts schauen
Die Initiative für die Aufklärung des Falls Burak Bektaş fordert neue Ermittlungen: Senat und Bundestag erhalten zahlreiche Anfragen.
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Am 5. April jährt sich der Mord an dem Neuköllner Jugendlichen zum vierten Mal. Der Täter, der ohne äußeren Anlass auf eine Gruppe von Freunden feuerte, ist bis heute unbekannt, die Ermittlungen stagnieren.
Vor drei Wochen hatte sich die Familie von Burak Bektaş mit ihren Anwälten an die Öffentlichkeit gewandt und kritisiert, dass ein mögliches rechtsextremes Motiv kaum geprüft worden sei und nicht – wie von der Polizei immer behauptet – „in alle Richtungen“ ermittelt werde. Es war ein gemeinsamer Auftritt mit den Eltern von Luke Holland: Der junge Brite war im vergangenen September ebenfalls in Neukölln auf offener Straße erschossen worden.
Hier gibt es einen Aspekt des Falls Burak Bektaş, der nach Ansicht der Initiative und der beiden Abgeordneten unterbelichtet geblieben ist: Der Tatverdächtige im Fall Holland, Rolf Z., tauchte bereits 2012 in den Akten zum Fall Bektaş auf. Aber weder seien frühere Munitionsfunde aus Z.s Wohnung mit der beim Mord im Jahr 2012 verwendeten Waffe abgeglichen worden, noch sei man dem Hinweis nachgegangen, dass ein Bruder von Z. einen „Schießstand“ im Keller einer Wohnung unweit des Tatorts gehabt habe.
Ein grotesker Nebenaspekt in Bezug auf die mögliche Fährte „Rolf Z.“: Laut Canan Bayram verweigerte die Polizei einem der Begleiter von Bektaş am Tatabend eine Gegenüberstellung mit Rolf Z., nachdem dieser als Tatverdächtiger im Fall Holland festgenommen worden war. Begründung: Z. trage einen Bart, davon sei aber in den Zeugenbeschreibungen von Burak Bektaş’ Freunden keine Rede gewesen. „Ist dem Senat bekannt, dass Bärte kein unveränderbares Merkmal einer Person darstellen?“, fragt Canan Bayram nun.
Bayram dokumentiert mit den Anfragen weitere mögliche Spuren in dem Mordfall, denen nicht oder nicht ausreichend nachgegangen wurde, unter anderem Bezüge zur Neonazigruppe „Neue Ordnung“. Auch habe die Neonazi-Aktivistin Mandy P., die in unmittelbarer Tatortnähe gewohnt habe, nach dem Mord auf Facebook vielsagend geäußert, sie hoffe, den Ermittlern würden keine Hinweise geliefert.
Regelrecht skandalös sei, dass der zuständige Staatsanwalt Dieter Horstmann 2014 offiziell mitgeteilt hatte, es gebe keine „Operative Fallanalyse“ (OFA). Inzwischen stellte sich heraus: Es gibt diese OFA. Darin steht, es handele sich um eine politische relevante Tat, bei der ein rechtsextremes Motiv möglich sei. Bayram: „Der Staatsanwalt hat uns angelogen.“
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