Mord an britischer Labour-Politikerin: Ist der Täter ein Neonazi?

Nach dem Mord an Jo Cox haben Politiker in Großbritannien ihre Brexit-Veranstaltungen abgesagt. Der Täter soll Kontakte zu Neonazis gepflegt haben.

Blumen liegen vor einem Foto von Jo Cox vor einer Wiese

Gedenken an Jo Cox Foto: dpa

BIRSTALL afp | Nach dem tödlichen Angriff auf die Parlamentsabgeordnete Jo Cox hält die Politik in Großbritannien inne. Eine Woche vor dem Referendum über den Verbleib in der EU sagten die Vertreter beider Lager für Freitag alle Veranstaltungen ab. Bürger und Politiker gedachten der Parlamentarierin am Donnerstagabend mit Mahnwachen und Blumen. Über den Tatverdächtigen wurden Einzelheiten bekannt: Er soll psychisch krank sein und Sympathien für Neonazis hegen.

„Hass wird niemals Probleme lösen“, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn bei einer Mahnwache für seine getötete Parteikollegin. Auf dem britischen Parlament wurde die Flagge auf Halbmast gesetzt. Premierminister David Cameron würdigte Cox als „Politikerin mit großer Leidenschaft und großem Herzen“. Er begrüßte die Unterbrechung der Referendums-Kampagne: „Es ist richtig, dass nach dem schrecklichen Angriff auf Jo Cox die gesamte Kampagne ausgesetzt ist.“ Die 41-Jährige hatte wie die meisten Labour-Abgeordneten für den EU-Verbleib geworben.

Die Behörden hielten sich mit Angaben zum Verlauf der Tat und zu den möglichen Beweggründen des Täters zurück. Am Tatort seien eine Schusswaffe und andere Waffen sichergestellt worden, teilte die Polizei mit. Britische Medien berichteten unter Berufung auf Zeugen, der Täter habe auf Cox eingestochen und dann auf sie geschossen.

Dabei ging der Mann offenbar mit großer Brutalität vor: Er habe der bereits zu Boden gegangenen Politikerin ins Gesicht geschossen, sagte ein Augenzeuge – der Café-Besitzer Clarke Rothwell – der BBC. Dabei habe der Täter „Britain First“ (Großbritannien zuerst) und „Vorrang für das Vereinigte Königreich“ gerufen – dies sind Slogans der Befürworter eines EU-Austritts. „Er hat es zwei oder drei Mal gerufen“, sagte Rothwell. „Er rief es, bevor er auf sie schoss und nachdem er auf sie geschossen hatte.“

Das Southern Poverty Law Center, eine renommierte Anti-Rassismus-Organisation in den USA, teilte mit, ihm lägen Unterlagen vor, die den Tatverdächtigen als jahrzehntelangen Unterstützer der US-Neonazi-Gruppierung National Alliance (NA) auswiesen. Der Verdächtige habe die Gruppierung engagiert unterstützt und hunderte Dollar für Schriftgut der NA ausgegeben, teilte das Zentrum mit. Laut der Zeitung Daily Telegraph pflegte er auch Kontakte zu einer Pro-Apartheid-Gruppe.

In Behandlung wegen psychischer Probleme

Der Bruder des Festgenommenen sagte Daily Telegraph von einer langen Vorgeschichte psychischer Probleme des Mannes. „Es fällt mit schwer zu glauben, was passiert ist“, sagte Scott Mair der Zeitung. „Mein Bruder ist nicht gewalttätig, und er ist nicht besonders politisch.“ Der Bruder sei psychisch krank, sei aber in Behandlung gewesen, sagte Mair.

Außerhalb Großbritanniens wurde die Bluttat mit Bestürzung aufgenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, der Angriff sei „schrecklich, dramatisch, und unsere Gedanken sind bei den Menschen, die betroffen sind“. Der Vorfall bedürfe angesichts des möglichen Zusammenhangs mit dem EU-Referendum in einer Woche „dringendster Aufklärung“.

US-Außenminister John Kerry sprach von einem „Angriff gegen alle, denen Demokratie wichtig ist und die an sie glauben“. Der französische Premierminister Manuel Valls äußerte sich „tief betrübt“. „Unser demokratisches Ideal“ sei getroffen, schrieb er auf Twitter.

Die Briten stimmen am kommenden Donnerstag über einen Verbleib ihres Landes in der EU ab. Nachdem das Pro-EU-Lager lange Zeit vorne lag, verfügte das „Leave“-Lager (Verlassen) in Umfragen zuletzt über einen Vorsprung von etwa vier Punkten.

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