Mord an US-Bürgerrechtler Malcolm X: Korrektur nach 56 Jahren

Justizirrtümer sind keine Seltenheit in den USA. Viele enden tödlich. Manche führen zu späten Korrekturen – wie nun im Fall der Ermordung von Malcolm X.

Ein Mann mit schwarzer und einer mit weißer Hautfarbe

Muhammad Aziz nach seiner Festnahme in New York im Februar 1965 Foto: Ap

In New York hat Staatsanwalt ­Cyrus Vance am Mittwoch verlautbart, dass zwei Männer, die wegen des Mordes an Malcolm X Jahrzehnte hinter Gittern waren, unschuldig sind.

Die Korrektur kommt 56 Jahre nach der Tat, an der sie nicht beteiligt waren. Einer der beiden Männer, Khalil Islam, der sich damals Thomas 15X Johnson nannte, ist bereits gestorben, der andere, Muhammad A. Aziz, der zur Tatzeit Norman 3X Butler hieß, erlebt seine Rehabilitierung im hohen Alter von 83 Jahren. Beide Männer haben von Anfang an ihre Unschuld beteuert.

Ein dritter Mann hingegen, der wegen des Mordes an dem Bürgerrechtler verurteilt worden ist, hat das Verbrechen gestanden. Der geständige Mörder Mujahid Abdul Halim, der damals Talmadye Hayer hieß, hat seit dem Prozess im Jahr 1966 mehrfach erklärt, dass die beiden anderen nicht beteiligt waren. Zur Tatzeit, als sich Malcolm X auf eine Rede vor der Organization of Afro-American Unity (OAAU) vorbereitete, waren die beiden Männer nicht einmal in dem Audubon-Ballsaal in Harlem.

Fast 2.400 Kilometer weiter südwestlich, in Oklahoma City, bereiteten Vollzugsbeamte am Donnerstag dieser Woche die Hinrichtung eines 41-jährigen Mannes vor. Die tödliche Spritze für Julius Jones ist für 16 Uhr angesetzt. Jones beteuert seit Jahren, dass er nicht an der Ermordung des Geschäftsmanns Paul Howell im Jahr 1999 beteiligt war. Chris Jordan, ein anderer wegen des Mordes Verurteilter, hat erklärt, dass er – und nicht Jones – damals geschossen hat. Wegen seiner Zusammenarbeit mit der Justiz hat Jordan eine Strafminderung bekommen und ist inzwischen auf freiem Fuß.

Zwei der Mörder wurden nie verurteilt

Angehörige des Todeskandidaten Jones und Stars aus dem Showbusiness und dem American Football sammelten mehr als sechs Millionen Unterschriften für eine Begnadigung von Jones. Am Mittwoch verließen Tausende Schüler in Oklahoma den Unterricht, um für dasselbe Ziel zu de­mons­trie­ren. Und selbst Juristen, die die Todesstrafe grundsätzlich nicht ablehnen, äußern Zweifel an dem korrekten Ablauf von Jones’ Verurteilung.

Jahrzehnte gab es Zweifel, dass die Richtigen verurteilt worden sind

Der Begnadigungs- und Bewährungsausschuss des Bundesstaates hat an den Gouverneur appelliert, die Hinrichtung in lebenslängliche Haftstrafe zu verwandeln. Aber Gouverneur Kevin Stitt schwieg – zumindest bis Redaktionsschluss. Unterdessen bauten Beamte Barrikaden rund um seine Residenz auf.

Die Gruppe Innocence Project, die sowohl in New York als auch in Oklahoma City Versuche zur Aufklärung gemacht hat, veröffentlicht auf ihrer Website die Bilder und Geschichten von zahlreichen fälschlicherweise verurteilten Menschen in den USA. Dabei sticht ins Auge, dass die überwiegende Mehrheit dieser Justizopfer Schwarz sind.

In New York haben Historiker und Bürgerrechtler sowie Angehörige von Malcolm X seit Jahrzehnten Zweifel daran geäußert, dass die richtigen Männer für den Mord verurteilt worden sind. Letztens haben sowohl die Proteste nach dem Polizeimord an George Floyd als auch eine Dokumentarfilmserie auf Netflix dafür gesorgt, dass sich die Justiz erneut mit den Verurteilungen von 1966 befasst hat. Staatsanwalt Vance hat 22 Monate lang ermittelt. Am Mittwoch lieferte Vance in New York eine Entschuldigung. Er sagte auch: „Dies verdeutlicht, dass die Strafverfolgungsbehörden in der Vergangenheit ihrer Verantwortung oft nicht gerecht geworden sind.“

Malcolm X war 39 als er starb. Er war eine der schillerndsten Figuren der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre. Und einer ihrer besten Redner. Er stand an einem radikalen, anderen Ende als der ebenfalls ermordete Martin Luther King. Bis kurz vor seinem Tod hatte Malcolm X der Schwarzen Gruppe Nation of Islam angehört. Daher stammen auch die X in seinem Namen und in den Namen der anderen Männer. Zuvor trugen sie die Nachnamen der weißen Sklavenhalter, denen ihre Vorfahren „gehört“ hatten. Mit dem X wollten sie sich eine Identität geben, die an ihre aus Afrika deportierten Vorfahren erinnern sollte.

Nach der späten Rehabilitierung in New York bleiben viele Fragen offen. Die ballistischen Untersuchungen des Mordes an Malcolm X haben gezeigt, dass drei Täter im Audubon-Saal auf ihn geschossen haben. Zwei davon sind nie verurteilt worden.

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