Monsanto unter Druck: Alle gegen Glyphosat
Eine neue europäische Bürgerinitiative fordert das Verbot von Glyphosat – und die Einschränkung von Pestiziden. Sie erhält großen Zuspruch.
„Wir sind die am schnellsten wachsende europäische Bürgerinitiative“, sagte Mitorganisator David Schwartz bei einer Anhörung im Wirtschafts- und Sozialausschuss, einem beratendem Gremium der EU. In der Rekordzeit von fünf Monaten habe „Stop Glyphosat“ bereits die zur Zulassung vorgeschriebene Schwelle von einer Million Unterschriften erreicht, heute sind es bereits 1,3 Millionen.
Die Unterzeichner fordern von der EU-Kommission, die Zulassung von Glyphosat zurückzuziehen und nicht – wie geplant – zu verlängern. Das offizielle Prüfverfahren, das in wenigen Tagen abgeschlossen werden soll, sei „schon im Ansatz fehlerhaft“, kritisierte Herman Van Bekkem von der Umweltschutz-Organisation Greenpeace. Es liege ein Interessenkonflikt mit der Industrie vor.
Van Bekkem berief sich auf Presseberichte, wonach die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) teilweise wortwörtlich die Argumentation des Herstellers Monsanto übernommen habe. Ausgerechnet in den entscheidenen Kapiteln zur Frage, ob Glyphosat krebserregend ist, soll EFSA bei Monsanto abgeschrieben haben.
Tendenziöses Gutachten
Die EU-Kommission hat das zwar zurückgewiesen. EFSA habe sein Gutachten nicht auf den Hersteller, sondern auf Angaben aus Deutschland gestützt, das in der laufenden Prüfung die Führungsrolle übernommen hat. Doch aus Sicht der Kritiker macht das den Sachverhalt um keinen Deut besser. Dass ausgerechnet Deutschland die Feder führe, mache das Gutachten sogar noch tendenziöser, so Van Bekkem.
Denn Monsanto wurde gerade vom deutschen Chemiekonzern Bayer übernommen. Und die EU-Kommission prüft, ob sie die Übernahme abnicken soll – oder durch den Zusammenschluss eine dominierende Stellung auf dem Markt entstehen würde, was den EU-Wettbewerbskregeln zuwider liefe. Da bei der Prüfung Probleme aufgetreten sind, wurde die Frist verlängert – statt Ende 2017 wird nun frühestens Anfang 2018 mit einem Ergebnis gerechnet.
Die neue Bayer-Tochter Monsanto muss zittern – und gerät nun auch noch durch die Bürgerinitiative gegen Glyphosat unter Druck. Denn wenn die EBI Erfolg hat, müsste nicht nur die Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels neu geprüft werden. Die Initiative fordert auch, das Zulassungsverfahren für alle Pestizide zu reformieren – und EU-weite Obergrenzen für die Pestizid-Nutzung festzulegen.
Für Monsanto, den weltweit größten Hersteller von „Pflanzenschutzmitteln“, wie die Pestizide branchenintern heißen, wäre dies mit großen Verlusten verbunden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja