Monika Herrmann über Wahlwiederholung: „Ich nehme das Foto von 2021“
Die Grüne hat 2021 den Einzug ins Parlament verpasst – und sich danach ein „selbstbestimmtes“ Leben aufgebaut. Freut sie sich auf die Wiederholung?
taz: Frau Herrmann, Sie sind die einzige Grüne, die 2021 ihren Wahlkreis in Friedrichshain-Kreuzberg nicht direkt gewinnen konnte. Da freuen Sie sich doch sicher, dass mit der Wiederholung dieser Wahl am 12. Februar 2023 eine neue Chance besteht?
Monika Herrmann: Immerhin haben wir 2021 einen Achtungserfolg erzielt, weil der Abstand zwischen Linken und Grünen deutlich geringer als 2016 war, nämlich unter einem Prozentpunkt. Klar, es wäre wunderbar, wenn ganz Friedrichshain-Kreuzberg grün wäre.
Und freuen Sie sich nun auf den Wahlkampf?
Ich finde nur die Jahreszeit blöd dafür. Wir machen morgens um 7 Uhr unsere Stände und abends, wenn die Leute von der Arbeit kommen. Das wird also ein Dunkelwahlkampf. Ansonsten finde ich gut, dass wir uns inhaltlich noch mal ein bisschen schärfen und positionieren können. Es geht ja alles ein bisschen drunter und drüber gerade.
Sie haben nach der letzten Wahl im September 2021 das Gefühl vermittelt, dass Sie ganz froh waren, jetzt Politik jenseits der Institutionen machen zu können. Nun steht dieser Lebensentwurf auf der Kippe.
(überlegt) Seit etwa einem Jahr bin ich raus aus der Mühle und kann sehr selbstbestimmt leben. Aber wenn die Leute in Friedrichshain-Kreuzberg sagen, die Herrmann soll jetzt wieder Politik für uns machen, ja, dann mache ich das auch. Aber das wäre natürlich eine Umstellung.
58, war von 2013 bis 2021 grüne Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. 2021 kandidierte sie in dem Bezirk für ein Direktmandat, verlor es aber knapp an die Linke. Seitdem kümmert sie sich vor allem um Verkehrspolitik.
Es gehört zu den Besonderheiten dieser Wahlwiederholung, dass die gleichen Kandidat*innen wie 2021 antreten müssen – egal, was sie seitdem gemacht haben. Ein bisschen schräg ist das schon.
Ja, das ist schräg. Ich hätte es gut gefunden, wenn es statt einer Wiederholungs- eine Neuwahl gegeben hätte. Es geht ja einigen Menschen so wie mir. Stefanie Remlinger …
… 2021 Kandidatin fürs Abgeordnetenhaus in Pankow, die dann aber Schulstadträtin und nun Bürgermeisterin von Mitte geworden ist…
… sagt ganz klar, sie sei sehr gerne Bürgermeisterin. Dennoch tritt sie noch mal fürs Abgeordnetenhaus an. Überhaupt müssen wir sehen, welche Auswirkungen diese Wiederholung auf die Bezirke hat. Die Stadträt*innen und Bürgermeister*innen sind ja Wahlbeamt*innen, die könnten gar nicht so einfach ihr Amt verlieren. Also: Die Irritationen werden sicher nach dem 12. Februar nicht vorbei sein.
Haben Sie von Kandidat*innen oder grünen Mitgliedern gehört, die keinen Wahlkampf mehr machen, weil sie keine Lust drauf haben?
Nein, überhaupt nicht.
Aber könnten Sie das nachvollziehen?
Zumindest insofern, weil es letztendlich ein Versagen der Verwaltung gewesen ist. Das ist ärgerlich und etwas anderes, als wenn sich das Abgeordnetenhaus aufgelöst hätte, aus welchen Gründen auch immer. Diese Wiederholung war vermeidbar. Und sie ist natürlich eine Herausforderung für die Parteimitglieder, die da wirklich tapfer mit in den Wahlkampf reingehen. Das ist ja alles ehrenamtliche Arbeit, das darf man ja nicht vergessen.
Was bedeutet Wahlkampf für Sie jetzt konkret? Gibt es neue Plakate oder Flyer?
Klar. Ich habe die Plakate, die 2021 übrig waren, nicht aufgehoben. Auch neue Flyer gibt es, schließlich sind die Themen teilweise andere, einiges ist auch schon umgesetzt worden. Aber wir überlegen, wie man diesen Wahlkampf effizient macht und er nicht in eine sinnlose Materialschlacht ausartet.
Und machen Sie neue Fotos von sich?
2021 stand ich mit kurzärmeliger Sommerbluse neben meinem Fahrrad – trotzdem bin ich nicht der Meinung, dass wir für neue Fotos noch mal Geld ausgeben müssen. Im Moment bin ich schwer entschieden, das Foto vom letzten Wahlkampf zu nehmen.
Ein bisschen sommerliche Stimmung im Winterwahlkampf.
Genau. Denn um was geht es denn? In der Regel ist es so, dass die Leute erst wissen, dass eine Wahl ist, wenn Plakate hängen. Also muss man ein paar davon aufhängen. Ich finde auch, dass man aufschreiben muss und soll, was man gemacht hat beziehungsweise was noch zu machen ist oder was man machen will. Aber es wäre nicht in Ordnung, wenn wir jetzt die Stadt zupflastern.
Es geht ja auch um eine hohe Wahlbeteiligung.
Stimmt. Ich glaube, dass sich leider sehr, sehr viele Leute darüber ärgern, dass sie wieder wählen gehen müssen, weil es einfach verbockt worden ist. Die dann sagen: „Macht euren Scheiß alleine, wenn ihr nicht mal eine Wahl hinkriegt.“ Das wäre sehr bitter.
Welche Beteiligung würden Sie sich wünschen?
Eine gute Wahlbeteiligung wäre, wenn alle Menschen, die wahlberechtigt sind, auch tatsächlich wählen gehen. Dass Leute ihr Wahlrecht nicht wahrnehmen, kann ich nicht nachvollziehen. Daher hoffe ich auf mindestens 70 Prozent.
Wann geht der Wahlkampf für Sie so richtig los?
Wir werden sicherlich schon im Dezember mit den ersten Ständen beginnen.
Was wird das große Thema in Ihrem Wahlkreis sein?
Auf alle Fälle das Verkehrsthema, aber auch die Verdichtung in Wohngebieten.
Vor der letzten Wahl haben Sie, damals noch als Bezirksbürgermeisterin, gesagt, Sie wollen nach der Wahl nicht in den Senat gehen. Haben Sie nach dem einen Jahr festgestellt: War mal eine schöne Ruhepause, aber jetzt geht es wieder richtig los?
Nein, da bleibe ich bei.
Wenn, dann nur einfache Abgeordnete.
Genau!
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