Mögliches Strafverfahren gegen Ungarn: Orbán fordert EU-Parlament heraus
Für ein Strafverfahren gegen Ungarn müssten auch konservative Abgeordnete zustimmen. Spitzenkandidat Weber (CSU) gerät unter Druck.
Doch damit soll nun Schluss sein: Das Europaparlament will den Ministerrat auffordern, „die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung“ der EU-Grundwerte in Ungarn festzustellen, ein Artikel-7-Verfahren. Der Beschluss – eine Premiere in der Parlamentsgeschichte – soll am Mittwoch in Straßburg fallen.
Doch bis zuletzt war unklar, ob die nötige Zweidrittelmehrheit zustande kommen würde. Dafür wäre die Unterstützung der konservativen Europäische Volkspartei (EVP) nötig, in der CDU und CSU den Ton angeben. Noch vor Kurzem sprach nichts dafür, dass die EVP von Orbán abrücken könnte – im Gegenteil.
Orbáns rechtsnationale Partei Fidesz arbeitet sogar in der EVP-Fraktion im Europaparlament mit. Fraktionschef Manfred Weber (CSU), der sich mit dem Segen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Spitzenkandidaten für die Europawahl küren lassen will, rechtfertigte dies mit der Notwendigkeit, den Dialog zu suchen.
„Demagogen wie Orbán hofiert“
Doch nun ist Weber selbst unter Druck geraten. Abgeordnete aller etablierten Parteien greifen ihn an. „Der wahre Spitzenkandidat der EVP ist Orbán“, schimpft der Chef der Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt. „Es ist nicht zu rechtfertigen, dass die EVP Demagogen und Autokraten wie Orbán hofiert“, kritisiert Udo Bullmann, Präsident der Sozialdemokraten.
Auch die Grünen gehen zum Angriff über. „Manfred Weber und die gesamte konservative Fraktion müssen sich entscheiden, ob sie auf der Seite von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie stehen, oder lieber zu ihrem Parteifreund halten“, sagt Fraktionschefin Ska Keller. Die Verteidigung europäischer Werte sei „der Eignungstest für jeden, der Kommissionspräsident werden will“.
Grünen-Politikerin Ska Keller
Die Angriffe wirken: Kurz vor der entscheidenden Abstimmung ist Weber auf Distanz zu Ungarn gegangen. Orbán müsse die Sorgen der EU anerkennen und handeln, sagte der CSU-Politiker am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. „Wenn es keine Bewegung gibt in der Sache, wird es für die ungarische Regierung schwierig.“
Allerdings legte sich Weber noch nicht fest – anders als Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der sich für ein Artikel-7-Verfahren aussprach. Auch Merkel hält sich alle Optionen offen. Ein Appell des französischen Staatschefs Emmanuel Macron, ein Machtwort zu sprechen und Orbán zu isolieren, zeigte zunächst keine Wirkung.
„Schlag ins Gesicht dieser Union“
Orban selbst zeigte sich uneinsichtig. Das geplante Artikel-7-Verfahren sei ein „Schlag ins Gesicht dieser Union“ und verletze Ungarns Ehre, sagte Orban am Dienstag in der Straßburger Kammer, in die er sich selbst eingeladen hatte. In der Flüchtlingskrise habe Ungarn nicht nur seine eigenen, sondern auch Europas Grenzen verteidigt – und werde dies auch künftig tun.
Das letzte Wort würden ohnehin die Bürger haben, so Orban: Bei der Europawahl im Mai 2019. Diese Abstimmung will der Star der Rechtspopulisten zum Referendum gegen die Flüchtlingspolitik der EU umfunktionieren. Aber zunächst einmal haben die Europaabgeordneten das Wort.
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