Konzerne profitieren von EU-Grenzen: Das Geschäft mit den neuen Mauern
Die EU mauert sich immer mehr ein, zeigt eine Studie. Rüstungskonzerne freuen sich über öffentliche Gelder für Drohnen, Schiffe und Stacheldraht.
Brüssel taz | Dreißig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer werden in Europa wieder glänzende Geschäfte mit Mauerbau und Abschottung gemacht. Vor allem Rüstungskonzerne wie Thales, Airbus und Leonardo profitieren von millionenschweren Aufträgen, die auch von der EU und ihren Mitgliedstaaten vergeben werden.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des globalisierungskritischen Netzwerk Transnational Institute, der niederländischen Kampagne gegen Waffenhandel (Stop Wapenhandel) und dem spanischen Friedensforschungsinstitut Centre Delàs. Mit den neuen Mauern sollen Flüchtlinge und Arbeitsmigranten auf ihrem Weg in die EU gestoppt werden. Sie bestehen nicht mehr, wie vor 30 Jahren, aus weithin sichtbarem Beton und Stacheldraht.
Heute schotten Helikopter, Drohnen und Schiffe die Grenzen ab. Insgesamt sind seit 1990 neue Grenzbefestigungen mit einer Länge von rund 1.000 Kilometern entstanden, heißt es in der Studie mit dem Titel „The Business of Building Walls“. Das entspricht sechsmal der Länge der Berliner Mauer. Rechnet man die „maritime“ und für das bloße Auge unsichtbare Grenze im Mittelmeer hinzu, so wären die neuen Mauern sogar noch 4.750 Kilometer länger.
Brüssel will von Mauerbau nichts hören, schon gar nicht, dass es dafür auch noch EU-Förderung gibt. Als Ungarns Regierungschef Viktor Orbán 2018 forderte, die EU müsse sich an den Kosten „seiner“ Mauer beteiligen, da sie ja auch Europa schütze, fuhr er sich in Brüssel eine Abfuhr ein. Die EU wollte nicht zahlen.
Anders sieht es aus, wenn sich die Industrie um Aufträge bewirbt. Dann fließen EU-Mittel, zeigen die Autoren anhand offizieller EU-Angaben. Seit der Flüchtlingskrise 2015 wurden die Fördermittel massiv ausgeweitet. „Der europäischen Militär- und Sicherheitsindustrie ist es durch Lobbyarbeit gelungen, die Migration als Sicherheitsbedrohung statt als humanitäre Herausforderung darzustellen“, sagt Studienautor Mark Akkerman. Dies habe einen scheinbar endlosen Fluss öffentlicher Mittel für die Militarisierung der Grenzen ausgelöst.
Thales, Airbus und Leonardo profitieren
So seien mindestens 900 Millionen Euro für Grenzmauern und -zäune, 676,4 Millionen für maritime Einsätze (2006–2017) und 999,4 Millionen Euro für virtuelle Mauern (2000–2019) ausgegeben worden. Darüber hinaus hätten die beteiligten Unternehmen Milliarden aus dem Außengrenzenfonds der EU und dem Fonds für innere Sicherheit kassiert. Neben Thales, Airbus und Leonardo konnten auch viele Firmen aus der Baubranche, der Schifffahrt und dem Technologiesektor Fördermittel abgreifen. Dazu zählt laut Studie das Unternehmen European Security Fencing, ein spanischer Hersteller von Bandstacheldraht, der an Grenzzäunen zwischen Spanien und Marokko, aber auch zwischen Ungarn und Serbien, Bulgarien und der Türkei, Österreich und Slowenien zum Einsatz kommt.
Genannt wird auch das slowenische Unternehmen Dat-Con, das am Bau von Grenzbefestigungen in Kroatien, Zypern, Mazedonien, Moldawien, Slowenien und der Ukraine beteiligt ist. Oder der niederländische Schiffbauer Damen, dessen Schiffe werden von Albanien, Belgien, Bulgarien, Portugal, den Niederlanden, Rumänien und Schweden zur Grenzsicherung eingesetzt. Auch in Zukunft winken glänzende Geschäfte. Denn im neuen EU-Rahmenbudget für die Jahre 2021 bis 2027 werden die Mittel für den Grenzschutz ausgeweitet. Es gehe darum, Menschenleben im Mittelmeer zu retten und den Schleppern das Handwerk zu legen, so die Begründung. In Brüssel hat niemand die Absicht, von Mauern zu reden.