Mögliche Strategien für Iran und USA: Der Druck des "großen Teufels"
Obamas Angebot auf Annäherung: Die Chance für eine positive Reaktion Teherans hängt von Ahmadinedschads Wahlkampfkalkül und einer Lockerung der Wirtschaftssanktionen ab.
GENF taz Wird Teheran positiv auf Obamas Angebot auf einen Neubeginn der Beziehungen reagieren? Kann dann der US-Präsident bald das wichtigste außenpolitische Versprechen seines Wahlkampfes einlösen und zu einem "Gespräch ohne Vorbedingungen" mit seinem iranischen Amtskollegen Mahmud Ahmadinedschad zusammentreffen? Die Antwort hängt wesentlich davon ab, mit welcher Strategie der Präsident Irans seine Wiederwahl im Juni zu sichern hofft.
Ahmadinedschad könnte die historische Chance ergreifen, die seit Jahrzehnten belasteten Beziehungen zwischen der wichtigsten Regionalmacht des Nahen und Mittleren Ostens sowie den USA zu normalisieren. Angesichts seiner desaströsen Wirtschafts-und Sozialpolitik sowie prominenter Gegenkandidaten aus dem Reformlager besteht allerdings die Gefahr, dass sich Ahmadinedschad größere Wahlchancen ausrechnet, wenn er sich weiterhin als außenpolitischer Hardliner profiliert, der dem "großen Teufel" Amerika die Stirn bietet.
Obama könnte diese Strategie erschweren, wenn er seiner Videobotschaft jetzt schnell Taten folgen lässt. Am wichtigsten und wirksamsten in Teheran wäre, wenn die USA die seit vier Jahren gemeinsam mit der EU erhobene Forderung nach vollständiger Beendigung der iranischen Aktivitäten zur Urananreicherung aufgeben. Diese kontraproduktive Forderung hat sich als größte Blockade für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Iran und den USA erwiesen.
Auch mit der Erklärung zum Verzicht auf einen militärischen Angriff gegen Iran sowie mit anderen sogenannten negativen Sicherheitsgarantien könnte Washington eine Konfrontationsstrategie Ahmadinedschads unterlaufen und die Chance auf positive Reaktionen aus Teheran erhöhen. Hilfreich wäre in diesem Zusammenhang auch die Aufhebung, zumindest aber Lockerung der seit der Islamischen Revolution von 1979 bestehenden US-Wirtschaftssanktionen gegen Iran. Dass Obama diese Sanktionen nur wenige Tage vor seiner positiven Videobotschaft um ein weiteres Jahr verlängert hat, ist so widersprüchlich wie seine Gesprächsofferte an "moderate Taliban" in Afghanistan bei gleichzeitiger Eskalation des dortigen Krieges durch die Entsendung von 30.000 zusätzlichen US-Soldaten.
Vielleicht kommt es über dieses Thema bereits bei der Internationalen Afghanistankonferenz am 31. März in Brüssel zu ersten offiziellen Kontakten zwischen Regierungsvertretern aus Washington und Teheran.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Jette Nietzard gibt sich kämpferisch
„Die Grüne Jugend wird auf die Barrikaden gehen“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Mehr Zugverkehr wagen
Holt endlich den Fernverkehr ins Deutschlandticket!
SPD Wahlprogramm 2025
Wirtschaft, Rente und ein bisschen Klassenkampf
Vorteile von physischen Spielen
Für mehr Plastik unterm Weihnachtsbaum