Mögliche Koalitionen: Am Wahlabend wird es richtig spannend
Nach der Wahl wird einiges durcheinandergewirbelt. Nach dem Quadrell stellt sich die große Frage: Wer mit wem? Und welche Themen sind dafür entscheidend?
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Würde Merz nach den bisherigen Umfragen auf jeden Fall Kanzler?
Das ist wahrscheinlich. Nirgendwo steht zwar geschrieben, dass die stärkste Partei automatisch das Kanzleramt bekommt. Dieses Mal scheint der Abstand von CDU/CSU mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) in den Umfragen mit 29 bis 32 Prozent zu anderen Parteien aber so groß, dass andere Konstellationen als kaum realistisch erscheinen.
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Welche Zweier-Koalitionen wären denkbar?
Als am wahrscheinlichsten gelten Koalitionsgespräche mit der SPD. Sie kommt derzeit in den Umfragen auf 14 bis 16 Prozent.
Rechnerisch oft noch möglich wäre ein Bündnis mit den Grünen, die in den Vorwahlerhebungen bei zwölf bis 14 Prozent verortet werden. Doch CSU-Chef Markus Söder hat ein Bündnis mit den Grünen im Wahlkampf kategorisch ausgeschlossen. Ändert er diese Haltung nicht, ist diese Konstellation ausgeschlossen.
Eine Koalition mit der auf Platz zwei stehenden AfD (20 bis 21 Prozent) schließen derweil alle anderen Parteien aus. Die CDU hat seit 2018 sogar einen offiziellen Unvereinbarkeitsbeschluss zu der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften Partei gefasst, der „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ eine Absage erteilt.
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Warum hängen mögliche Koalitionen auch davon ab, wie viele Parteien es in den Bundestag schaffen?
Je mehr Parteien in den Bundestag kommen, desto höher liegt die Schwelle für eine Mehrheit. Scheitert eine Partei, spielen ihre Stimmen keine Rolle mehr und das Gewicht der Ergebnisse der anderen Parteien wächst.
Derzeit stehen in den Umfragen gleich drei Parteien knapp über oder unter der Fünf-Prozent-Hürde: FDP, BSW und Linkspartei. Hinzu kommen die sonstigen Parteien, die derzeit zusammen im Bereich von fünf bis sechs Prozent gesehen werden.
Fallen zum Beispiel insgesamt 13 Prozent der abgegebenen Stimmen weg, weil es Parteien nicht in den Bundestag schaffen, sind für die Mehrheitsschwelle nur noch 87 Prozent relevant. Sie läge bei der Hälfte von 43,5 Prozent. Bei den schwächsten Umfragewerten von Union und SPD (zusammen 43 Prozent) würde es dann nicht für ein schwarz-rotes Zweier-Bündnis mit Mehrheit reichen, bei den höchsten (zusammen 48 Prozent) aber klar.
Wann ist eine Zweier-Koalition voraussichtlich möglich?
„Wenn alle drei kleinen Parteien den Einzug in den Bundestag verpassen, dann reicht es nach jetzigem Stand für eine Zweier-Koalition“, sagt Roland Abold vom für die ARD tätigen Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap. „Wenn es eine der Parteien schafft, dann könnte es ebenfalls noch reichen. Wenn es zwei oder drei in den Bundestag schaffen, dann ist es eher unwahrscheinlich, dass es für eine Zweier-Koalition reicht.“
Wann werden die Koalitionsmöglichkeiten klar sein?
Nach Schließung der Wahllokale werden am Sonntagabend erst Prognosen auf Grundlage von Nachwahlbefragungen und dann Hochrechnungen auf Basis von Teilergebnissen veröffentlicht. Kleine Verschiebungen können dabei große Auswirkungen haben.
„Selbst am Wahlabend wird sich vielleicht zunächst nicht sicher sagen lassen, ob zwei Parteien für eine Koalition reichen“, sagt Andrea Wolf aus dem Vorstand der Forschungsgruppe Wahlen, die für das ZDF Erhebungen erstellt. „Denn manchmal ist es ganz knapp mit der Fünf-Prozent-Hürde.“
Klarheit könnte es dann erst in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden des Montags geben, wenn die Behörde der Bundeswahlleiterin das vorläufige offizielle Ergebnis nach Auszählung aller Stimmbezirke veröffentlicht.
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Welche Dreier-Koalitionen wären denkbar?
Schwarz-Rot-Grün: Gut reichen würde es rechnerisch nach den Umfragen für eine Koalition aus Union, SPD und Grünen. Die CSU müsste dann aber ihre Vorbehalte gegen die Grünen über Bord werfen und dafür im wahrsten Sinne des Wortes erst „grünes Licht“ geben.
Schwarz-Rot-Gelb: Schafft es die FDP in den Bundestag, wäre dies rechnerisch wohl möglich, politisch aber schwierig. Denn SPD und FDP tragen noch viel Ballast aus der gescheiterten „Ampel“-Koalition mit sich herum und machen sich gegenseitig für deren Aus verantwortlich.
Schwarz-Grün-Gelb: Politisch noch unwahrscheinlicher wäre ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP – die Jamaika-Koalition. Liberalen-Chef Christian Lindner hat nach den Dauer-Querelen mit den Grünen in der „Ampel“ eine erneute Koalition mit der Partei ausgeschlossen.
Schwarz-Rot-Rot: Ein Bündnis von Union, SPD und Linke ist nicht möglich. Die CDU hat 2018 auch einen Unvereinbarkeitsbeschluss zur Linkspartei gefasst, der dies ausschließt.
Schwarz-Rot-BSW: Nach der Gründung des von der Linken abgespaltenen BSW vor gut einem Jahr war in der CDU über einen Unvereinbarkeitsbeschluss diskutiert worden. Bisher kam es aber nicht dazu. Und in Brandenburg unter SPD-Führung und in Thüringen mit einem CDU-Ministerpräsidenten gibt es nun auch Landesregierungen mit Beteiligung des BSW: die Brombeer-Koalition. Doch ein solches Bündnis wäre auf Bundesebene wegen der außenpolitischen Positionen des BSW, insbesondere gegenüber Russland und zum Ukraine-Krieg, kaum vorstellbar.
Ist eine andere Koalition vorstellbar?
Rechnerisch ausgeschlossen wäre ziemlich sicher ein Dreierbündnis aus SPD, Grüne und Linke. Und extrem unwahrscheinlich ist auch, dass es für eine Vierer-Koalition aus SPD, Grünen, Linken und BSW reicht. Dies wären auch die einzigen Konstellationen, in denen Olaf Scholz erneut Kanzler werden könnte.
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