piwik no script img

Modekrimi „House of Gucci“ im KinoGroschenroman auf Leinwand

Regisseur Ridley Scott versucht sich in „House of Gucci“, am Schicksal des Modehauses – mit großer Optik und Stars. Es spielen Lady Gaga und Adam Driver.

Adam Driver, Jared Leto und Lady Gaga in „House of Gucci“ Foto: Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Der Mann ist ein Volltreffer. Vom Scheitel bis zur hochqualitativen Sohle. Und zwischendrin, am Gürtel, funkelt’s in Form eines Familienerbstücks: Maurizio Gucci (Adam Driver) wurde als Enkel des Firmengründers und Erfinders des charakteristischen, ineinander verschlungenen GG-Logos, Guccio Gucci, geboren. Kein Wunder, dass Patrizia Reggiani (Lady Gaga) beim Nachnamen jenes schüchternen, gutgekleideten Kerls, der auf einer Party ihren Weg kreuzt, gleich aufhorcht.

Denn auch wenn die arme, nicht sehr gebildete Reggiani höchstens in einer Verbandsliga spielt und sich beim ersten Besuch des elitären Gucci-Chefs und Vaters (Jeremy Irons) ihres neuen Freundes ordentlich in die Nesseln setzt, als sie angesichts eines Klimt-Bildes bewundernd „Picasso?“ fragt – es kommt, wie es kommen muss. Maurizio Guccis Hochzeit mit der nicht standesgemäßen Braut provozierte in den 70ern einen familieninternen Skandal.

Der in den 90ern, nachdem das Haus Gucci einige Täler durchwandert hatte, zunächst in eine Scheidung und schließlich in einen Auftragsmord, angeleitet von der enttäuschten Ex, mündet: Ridley Scotts „House of Gucci“ ist ein Kriminalfilm, bei dem man die Drahtzieherin bereits kennt.

Der Actionspezialist inszeniert den Luxus, in dem Reggiani zu schwelgen sich sehnte: Sie und Gucci leben nach einer familiären Einigung und Guccis Rückkehr in die Firma in einer Wolke aus vestimentärer Eleganz. Schmuck, Kostüme, Autos, sogar die Musik spiegeln Opulenz, der Rechte­erweb für den mit David ­Bowie, Eurythmics und George ­Michael ausgestatteten Soundtrack muss ungefähr so viel gekostet haben wie ein Ferrari.

Der Film

„House of Gucci“. Regie: Ridley Scott. Mit Lady Gaga, Adam Driver u. a. USA 2021, 157 Min.

Doch seine Struktur ist die eines Groschenromans: Heimtückische Pussy Trap umgarnt linkischen Jungmann; als er an Selbstbewusstsein gewinnt, sich anderweitig umschaut und sie verlässt, wird sie sauer und sinnt auf Rache. Scott weiß diesen Spannungsbogen kaum zu bebildern und rettet sich in Klischees.

Eifersucht mit Glyzerintränen angedeutet

Er lässt Satinkleider an Blondinen in High Heels (Guccis Neue) hinuntergleiten wie in einer 80er-Jahre-Parfumwerbung, im Drehbuch stehen altbackene Sätze wie „Du bist mein einziger Sohn!“, und Gagas schauspielerische Fähigkeiten sind so begrenzt, dass nicht mal der verlässlich großartige Driver dagegen anzustinken vermag.

Gaga schafft es auch angesichts des schwachen Drehbuchs nicht, ihrer Figur das zu geben, was sie braucht, um ihr Motiv zu erklären. Schnöde Eifersucht muss es wohl gewesen sein – von Gaga durch Glyzerintränen angedeutet. Scott scheint mit den in der Geschichte steckenden menschlichen Regungen und Schwächen – Liebe, Angst, Gier – überfordert. So bleibt die Entwicklung der modebewussten Frau aus einfachen Verhältnissen zur mordlüsternen Gattin eines Modemoguls in Gemeinplätzen stecken.

Trotz interessanter Aspekte über die Probleme, die das traditionell ausgerichtete Modehaus in der Zeitenwende der 80er bekam, scheitert „House of Gucci“ auf der Figurenebene. Dass die US-amerikanischen und britischen Schau­spie­le­r:in­nen ihr Englisch wie in einem Monty-Python-Sketch mit starkem italienischen Akzent versehen, macht die Sache nicht besser.

Die letzte Dramatik nimmt Jared Leto aus dem Familienzwist, seine Darstellung von Maurizios Cousin Paolo ist Schmierenkomödiantentum: Ja, Italiener reden mit den Händen. Allerdings fuchteln sie dabei nicht herum, als ob sie Ventilatoren nachahmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!