Mode im Lockdown: So viele Klamotten, so wenig Geld
Im Lockdown bleiben die Modegeschäfte geschlossen und die Winterware türmt sich – zum Ärger der Betreiber. Was lässt sich dagegen tun?
Langsam wird die Sache zäh. Also die mit Corona; und ja, nicht für alle im gleichen Maß, bei Weitem nicht. Während sich die einen weiterhin im Kundenkontakt dem Virus aussetzen, vermissen die anderen ebendies: ihre Waren an die Abnehmer zu bringen.
80 bis 90 Prozent Rabatt werde es geben, „damit die aufgestaute Ware noch verkauft werden kann“, sagte der Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband des Textileinzelhandels, Rolf Pangels, am Wochenende der Rheinischen Post. Branchenkenner, also der Verband selbst, rechnen schon lange mit „Rabattschlachten“, eine halbe Milliarde Modeartikel habe sich in den Läden aufgetürmt. Zum großen Teil handle es sich dabei um Winterware, die angesichts des nahenden Frühlings Tag für Tag an Wert verliere.
Nun ist ja klar, dass, wessen Bekleidung etwa beim Großbrand im Camp „Lipa“ bei Bihać in Bosnien Ende letzten Jahres verbrannt ist, diesen Wertverlust gern hinnehmen würde; und auch die inzwischen an praktisch jeder U-Bahn-Station zusteigenden, arm und verfroren aussehenden Menschen in Berlin würden die Skiunterwäsche aus der diesjährigen Kollektion nicht nur zur Not auch noch im nächsten Winter gern tragen, Spende jeweils vorausgesetzt.
Die Erfahrung lehrt aber, dass Menschen, die gerade ihre Existenzgrundlage verlieren, nicht sehr spendenbereit sind. Im Gegenteil, sie sind wütend, weswegen Rolf Pangels auch schon mal ankündigt: „Sollte der Lockdown verlängert werden, packen wir unverkaufte Ware in große Lastwagen und kippen den Inhalt vor dem Kanzleramt aus.“ Und Rolf Pangels weiß natürlich selbst, dass das das Virus nicht beeindrucken wird.
Schick im nächsten Winter
Noch im letzten Skisocken stecken derzeit eben die großen Fragen: Wer produziert was warum zu welchen Kosten für die Allgemeinheit? Wer gewinnt, wer verliert? Und ganz konkret: Wann kommt endlich der Solidaritätszuschlag Corona – und ab welchem Einkommen wird er erhoben?
Bieten wir bis zur Lösung dieser Fragen wenigstens einen erfreulichen Aus- beziehungsweise Anblick: Wer hätte, damals, als wir noch nicht alle im Hoodie im Homeoffice lümmelten, nicht mal von der ein oder anderen Kolleg:in (und von sich selbst) gedacht: Na, die könnten auch mal neue Klamotten vertragen? Insofern wollen wir den kommenden Rabattschlachten das Positive abgewinnen: Der nächste Winter, wenn alle ihre supergünstigen Merinopullover ins Büro ausführen, wird schick!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren