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Mobilitätsdatengesetz kommt voranWissen, wie voll der Bus ist

Noch vor der Sommerpause soll das Mobilitätsdatengesetz durchs Kabinett. Ver­brau­cher­schüt­ze­r:in­nen mahnen zur Nachbesserung bei den Details.

Bus, Bahn oder Carsharing sollen künftig anbieterübergreifend digital gebucht und bezahlt werden können Foto: stefan zeitz/imago

Berlin taz | Die Pläne der Bundesregierung für ein Mobilitätsdatengesetz nehmen Form an: Der Entwurf solle noch vor der Sommerpause ins Kabinett kommen, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums auf taz-Anfrage. Das Gesetz ist einer der Bausteine für die Verkehrswende. Es soll unter anderem dazu beitragen, dass Bür­ge­r:in­nen schneller und einfacher ÖPNV-Verbindungen und Verkehrsmittel wie Carsharing-Fahrzeuge oder E-Roller finden und Tickets kaufen können – auch ohne dabei mehrere Apps oder Webseiten nutzen zu müssen.

Bereits vor einem Jahr hatte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ein Eckpunktepapier vorgelegt. Das war in weiten Bereichen noch vage und sah nur ein paar konkrete Punkte vor. Dazu gehört unter anderem, dass bereitgestellte Daten „offen, ohne Registrierung zugänglich und grundsätzlich kostenlos“ zugänglich sein müssen. Verkehrsunternehmen sollen dazu verpflichtet werden, Daten über die Auslastung ihrer Busse oder Bahnen bereitzustellen – allerdings nur dann, wenn sie diese auch erheben. Es soll eine Behörde bestimmt werden, die Beschwerden entgegennimmt und Verstöße gegen die Vorgaben sanktioniert.

Ursprünglich sollte nach dem Eckpunktepapier bis Jahresende ein Referentenentwurf des Verkehrsministeriums folgen. Doch dem erging es wie der Bahn – er bekam ordentlich Verspätung. Erst im Mai wurde er fertig. Dass das Gesetz noch in diesem Jahr verabschiedet wird, ist also eher unwahrscheinlich.

Einer der Konflikte ist beispielsweise die Bereitstellung von Echtzeitdaten zur Auslastung des öffentlichen Nahverkehrs. Ver­brau­cher­schüt­ze­r:in­nen halten diese für zentral, um die Nutzbarkeit des ÖPNV für Bür­ge­r:in­nen zu verbessern. Verkehrsunternehmen wehren sich aber gegen eine Pflicht. Sie argumentieren mit zusätzlichem Aufwand und Geschäftsgeheimnissen. Das Verkehrsministerium plante daher bislang nur eine Pflicht zur Bereitstellung von Auslastungsdaten, wenn diese ohnehin erhoben werden.

Was gilt für Autofahrer:innen?

„Das Mobilitätsdatengesetz ist überfällig“, sagt Marion Jungbluth, Mobilitätsexpertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Es sei ein wichtiger Schritt, damit Bus, Bahn oder Carsharing künftig anbieterübergreifend digital gebucht und bezahlt werden können. Sie fürchtet, dass das Verkehrsministerium den Interessen der Branche nachgeben könnte. „Die Bereitstellungspflicht für Mobilitätsdaten darf nicht aufgeweicht werden, wie es Verkehrsunternehmen und Wirtschaft teilweise fordern. Das würde Innovation verhindern.“

Und auch beim Umgang mit Daten von Privatfahrzeugen sieht Jungbluth Nachbesserungsbedarf. Denn aktuelle Fahrzeuggenerationen erheben eine Vielzahl an Daten: von Sitzeinstellungen über das Fahrverhalten bis zu den Gurtstraffungen, die auf abruptes Bremsen hindeuten. Momentan haben die Hersteller der Fahrzeuge den Zugriff auf diese Daten und geben diese nur in ausgewählten Situationen weiter, zum Beispiel an Behörden oder Versicherungen nach einem Unfall.

Selbst technisch und juristisch versierte Nut­ze­r:in­nen scheitern in der Regel daran, an diese Daten heranzukommen. Das hat etwa die Computerzeitschrift c't vor zwei Jahren in einem Test gezeigt. Hier fordert Jungbluth Änderungen: „Das Mobilitätsdatengesetz muss den Zugriff auf Fahrzeugdaten regeln, sonst behalten die Fahrzeughersteller faktisch die Hoheit über Daten, die den Ver­brau­che­r:in­nen gehören.“

Gleichzeitig sei es wichtig, dass im Gesetz Anforderungen an eine Anonymisierung von Mobilitätsdaten gestellt werden – und so wenig personenbezogene Daten wie möglich erhoben werden. Das kann etwa dann relevant werden, wenn in PKWs eingebaute Kameras Aufschluss über den Zustand von Straßen geben könnten. Oder wenn der Verkehrsverbund Daten zur Auslastung der Fahrzeuge erhebt. Privatsphärefreundlich würde das etwa mit Lichtschranken geschehen anstatt mit Methoden, die Fahrgäste tracken.

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7 Kommentare

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  • Öffentlich finanzierte Verkehrsunternehmen wollen mit Hinweis auf "Geschäftsgeheimnisse" ihre Daten nicht zur Verfügung stellen? Oder haben die Angst, dass sichtbar wird, wie oft im ÖV leere Busse "heisse Luft" durch die Gegend fahren?

  • Ich fahre nur mit dem Öffi. Habe die App,wann und wo der Bus abfährt.



    Das funktioniert in D nicht.



    Angezeigt wird in der App, Bus kommt.



    Gehe also zu Haltestelle. Auf der Anzeigentafel ist der Bus nicht vermerkt.



    Also einen Blick in die App, Bus kommt.



    Warten...warten..



    Kein Bus kommt.



    Der nächste fäĺlt aus.



    Das mit App und Anzeigetafel geht auch umgekehrt.

  • Mobilitätsdaten in Echtzeit lösen keines der 2 großen Mobilitätsprobleme und sie vergrößern das Potenzial für Datenmissbrauch bis hin zum Überwachungsstaat.

    Das 1. Problem ist ein zu viel an Verkehrsmitteln und ein Mangel an Platz. Mehr Verkehrswege und effizientere Nutzung der Mobilitätsmittel lösen es nicht, sie verschieben es nur in die Zukunft.



    Das 2. große Problem mit der Mobilität sind die Umweltschäden. Auch technologischer Wandel verschiebt diese Schäden nur und der Umbau frisst Unmengen an Ressourcen.



    Wirksamste Lösung der Mobilitätsproblem ist es, Mobilität auf ein notwendiges Maß zu reduzieren, was eine Anpassung von Lebensstilen und Wirtschaftsweisen erfordert.

    Unter dem Vorwand falscher Notwendigkeiten wird wieder einmal die digitale Vernetzung vorangetrieben. Das freut die Anbieter von entsprechenden Geräten und Dienstleistungen. Im weiteren Verlauf ist es aber nur ein weiterer Schritt in die digitale Zukunft, in der alle Personen, Geräte und Aktivitäten erfasst und diese Daten ausgewertet werden. Wer glaubt, Gesetze würden gegen Missbrauch schützen oder er hätte die freie Wahl, irrt. Standardlösungen zwingen zur Teilhabe und Regierungshandeln wechselt.

    • @Stoersender:

      Man könnte meinen es wäre Absicht, wenn dann auch noch die annehmbare Fahrzeit aus Sicht der Arbeitsagentur erhöht wird.



      Selbst für Mindestlohn wird mittlerweile vorausgesetzt, dass Sie bereit sind täglich 3 Stunden zu fahren. Gemeint ist das jeweils schnellste Verkehrsmittel.

  • Autofreie Städte und "haufenweise" Straßenbahnen/E-Busse, die im 3-Minuten-Takt fahren, wären eigentlich endlich mal angesagt; aber unsere Volksvertreter nehmen ja lieber wieder die einfachste und die billigste "Lösung". So wird es aber nichts mit der Verkehrswende werden, aber das ist wohl im 'Autoland-Deutschland', wo die klimaschädliche Autoindustrie das Sagen hat, auch so beabsichtigt.

    Und die 'immer sofort gestellte Frage' nach der Finanzierung eines flächendeckenden ÖPNV und eines günstigen Bahn/Bus-Ticket (für "alle" Bürger), kann man sich auch sparen, denn wenn Deutschland es sich erlauben kann, dass Wirtschaftskriminelle jährlich (!!!) Steuern im Umfang von 100 Milliarden Euro (100.000.000.000 €) bei uns hinterziehen, dann sollte auch für die dringend notwendige Verkehrswende genug Geld da sein – oder?

  • "...Echtzeitdaten zur Auslastung des öffentlichen Nahverkehrs. Ver­brau­cher­schüt­ze­r:in­nen halten diese für zentral..."



    Echt? Warum?



    Wenn man halbwegs regelmäßig unterwegs ist, weiss man doch, welche Bahn von 7-9 total überfüllt ist. Alle. Bzw. genau die, die man selber nutzen muss, möchte man nicht zu früh oder zu spät sein. Die allermeistens haben auch nicht die Freiheit, ihre Zeiten an die Auslastung der Bahnen anzupassen. Selbst die Rentner auf dem Weg zum Arzttermin haben das kaum.



    Aber wenn man schon dabei ist, wie wäre es dann auch mit Daten zur Luftqualität und Lärmpegel? Nicht das aus Versehen ein Fussballspiel ist.

  • "Es soll eine Behörde bestimmt werden, die Beschwerden entgegennimmt und Verstöße gegen die Vorgaben sanktioniert."

    >> Der Behörden- und Bürokratiewahnsinn greift weiter um sich.



    >> Die haben nichts gelernt!