Mobbing in Hostel-Kette: Wombats drohen auszusterben
Beschäftigte der Hostel-Kette wombats wehren sich gegen Mobbing, Sexismus und schlechte Arbeitsbedingungen. Die Chefs drohen mit Schließung.
„Man hatte uns jahrelang eine Gehaltserhöhung verwehrt“, sagt sie und fährt sich mit den Fingern durch die kurz geschnittenen Haare. Sie sitzt in einem Berliner Café, vorsichtshalber einige Stadtteile von ihrem Arbeitgeber entfernt. Mit hierher gekommen sind auch die Kolleg*innen Margrit, Zoe und Christian. „Ich habe vor zehn Jahren begonnen, im wombat’s zu arbeiten“, sagt Margrit, „angefangen bei 8 Euro.“ Die Zeit verging, gestiegen sei der Lohn jedoch kaum. Nach jahrelangem Protest habe die Geschäftsführung ihn 2015 dann endlich erhöht – um ein paar Cent. „Das war für uns ein Schlag ins Gesicht“, sagt Margrit.
Sie beschwerten sich erneut, doch das damalige Management ignorierte ihre Bitten weiterhin, so erzählen sie es. Ruth und ihre Kolleg*innen wählten einen anderen Weg: Sie ließen sich von der Gewerkschaft Nahrungs- und Genussgaststätten (NGG) beraten, pinnten einen Aushang ans schwarze Brett, auf dem sie verkündeten, dass sie einen Betriebsrat gründen wollten. Drei Menschen braucht es, die unterschreiben, dann ist der Betriebsrat gegründet, und den Unterzeichner*innen kann ohne schwerwiegende Verstöße nicht mehr gekündigt werden.
Ruth, die vor ihrem Umzug nach Berlin auch für das Wiener wombat’s gearbeitet hat, wurde damals von Kolleg*innen erzählt, dass es auch in anderen Häusern Bestrebungen gab, einen Betriebsrat zu gründen. „Die Mitarbeitenden sind entweder sofort gekündigt worden, oder man hat ihnen vermittelt, dass sie, wenn sie so weitermachen, niemals im Unternehmen aufsteigen werden.“ So sei systematisch und über viele Jahre demokratische Mitbestimmung bei der Hostelkette unterdrückt worden. In Berlin gibt es zudem schwere Vorwürfe von Sexismus und Mobbing.
Geschäftsführung verurteilt Mobbing offiziell
Auf taz-Anfrage, wie das zu erklären sei, äußert sich wombat’s-Gründer Sascha Dimitriewicz: „Hiermit möchten wir ausdrücklich festhalten, dass die Geschäftsführung der wombat’s GmbH Berlin, jede Form der Diskriminierung & des Mobbings verurteilt und gegen jeden Mitarbeiter, dem dieses Verhalten nachgewiesen werden sollte, mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen vorgehen wird.“ Zu einem Interview sei man indes nicht bereit.
Das Berliner wombat’s steht an der Alten Schönhauser Straße, ein modernes, schlichtes und weißes Gebäude. Verglichen etwa mit den A&O-Hostels sind die wombat’s weit weniger bekannt. Doch auf der Homepage scheint durch, dass sie sich als eine Reisegemeinschaft verstehen, die sich zusammenschließt, um „Geschichten über Entdeckungen“ zu erzählen und „mehr als nur einen Lebensraum“ zu teilen. Das Wort Hostel beschreibe nicht nur einen Platz, sondern eine Philosophie.
Zwei Männer, Sascha Dimitriewicz und Marcus Praschinger, gründeten die wombat’s im Jahr 1999 mit einem ersten Haus in Wien. Vor einem Jahr gingen sie, beide mittlerweile 50, in Rente, dennoch halten sie, so vermuten es Ruth und ihre Mitstreiter*innen, weiterhin die Fäden in der Hand. In Berlin konnte das Management die Installierung des Betriebsrats nicht verhindern. Der Standort hier wurde im Jahr 2015 damit das erste wombat’s in ganz Deutschland, dem eine solche Gründung gelang. Der neue Betriebsrat wurde nach eigenen Angaben rasch aktiv und forderte das Management dazu auf, sich zu professionalisieren, Arbeitszeiten einzuhalten, nicht zu erwarten, dass die Beschäftigten im Urlaub auf dem Handy zu erreichen sind und vieles mehr.
Immer mehr Berliner Beschäftigte organisierten sich jetzt auch in Gewerkschaften, einige von ihnen engagierten sich zusätzlich im Betriebsrat. Eine subversive Stimmung sickerte in alle Teile der Belegschaft, berichten die Beteiligten.
Vieles wollte man sich schlichtweg nicht mehr bieten lassen, erzählen sie. Etwa, dass es sich der Leiter der Reinigungsabteilung, genannt „Figo“, längst zur Gewohnheit gemacht hatte, ohne anzuklopfen die Umkleidekabine der Frauen zu betreten. Wenn die Frauen duschten, sich anzogen, auf der Toilette waren. Anders, als die Garderobe der Männer, ist die der Frauen von innen nicht zu verschließen. „Er hat dann behauptet, sich eine Bürste ausleihen zu wollen“, erinnern sich Margrit und Ruth. „Irgendwann haben wir ihm sogar mal eine geschenkt. Geändert hat sich trotzdem nichts.“
Mit Konsequenzen, gar Abmahnungen habe Figo nicht rechnen müssen. „Weil er alles, was er sieht und hört, sofort nach ganz oben weitergibt“, sagt Ruth. Auch der Betriebsrat habe sich dafür eingesetzt, dass ein Knauf an der Kabinentür angebracht wurde, um ungebetenes Eintreten wenigstens zu verzögern.
Penis-Zeichnungen auf Mappen und Rechnungen
Auf ihrem Handy zeigt Margrit einen Zettel, der vor einiger Zeit ans schwarze Brett geheftet wurde. Darauf entschuldigt sich Figo. Nie sei es die Absicht des Abteilungsleiters Figo gewesen, irgendjemandem zu nahe zu treten. Von den Mitarbeiterinnen glaubt ihm das keine. „Es war ja nicht nur das. Ständig macht er unangenehme Bemerkungen“, sagt Ruth. „Wenn Kolleginnen im Sommer Shorts tragen, wenn sie Fotos von sich auf Facebook posten.“ Margrit schiebt sich die Zunge zwischen Zeige- und Mittelfinger, die an ihrem Mund liegen und fragt: „Kennst du den Ausdruck?“ Er bedeutet, eine Frau oral zu befriedigen – und sei auf Figos Bildschirmschoner zu sehen.
Auf dem Niveau, erzählen die Beschäftigten, bewegten sich im wombat’s einige. Im Büro des Berliner Chefs, Nils K., stünde mittlerweile ein Dildo, überall lägen Kondome, und auf die Mappen und Rechnungen, an die alle Beschäftigten heranmüssen, seien Penisse gemalt, erzählen sie.
So schlimm, wie es heute ist, sei es jedoch erst geworden, als die Gewerkschaft NGG die Geschäftsführung in einem Brief zu Verhandlungen über einen Tariflohn aufforderte. „Seitdem betreiben sie noch krasseres Union Busting“, sagt Ruth. Union Busting ist ein Fachbegriff aus den USA für die Unterdrückung und Sabotage von Arbeitnehmervertretungen, also Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräten. Als die Belegschaft streikte – zu strategischen Zeiten, wenn etwa Check-out war oder größere Gruppen anreisten – sah sich das Management gezwungen, die Rezeption zu besetzen. Nils K., der jetzige Chef, wurde als Streikbrecher eingeflogen und schon bald darauf zum Manager befördert.
Als im September 2018 dann alle Unterschriften unter dem Tarifvertrag standen, hatten Ruth und ihre Mitstreiter*innen abermals angenommen, nun sei das Schlimmste überstanden. Doch der abgeschlossene Tarifvertrag ermunterte das Management offenbar, noch absurdere Strategien zu fahren, glauben die Beschäftigten heute. „Die Musik“, sagt Ruth und blickt ihre Kolleg*innen an.
„Ich find dich scheiße“
Die Rezeption, an der zum Beispiel Ruth und Zoe arbeiten, befindet sich direkt vor dem Managementbüro, das mit einer Schiebetür verschlossen werden kann. Das Ganze sei so konzipiert, dass die Rezeptionist*innen nicht hören können, was im Büro gesprochen wird, die Chef*innen im Büro aber sehr wohl jedes Wort verstehen, das an der Rezeption gewechselt wird. Neuerdings, berichten die Beschäftigten, ließen die Chefs die Tür meistens offen und spielten dann laut Musik ab, das favorisierte Stück momentan: „Ich find dich scheiße“ von Tic Tac Toe.
Seit dem 1. April ist die Reinigungsabteilung ausgegliedert. Ursprünglich sollte diese Ausgliederung schon zum 1. Mai 2018 vollzogen werden, doch weil die Mitarbeitenden dagegen protestierten und sich wehrten, wurde das Datum immer wieder verschoben. Ausgliederungen sind in Deutschland legal und benötigen keine Zustimmung des Betriebsrats. Für die Mitarbeitenden, die von der neuen Firma übernommen wurden, bedeutet das: Sie haben jetzt einen anderen Arbeitgeber, fallen also nicht mehr unter den Tarifvertrag der NGG, sondern bekommen den im Reinigungsgewerbe vorgesehenen Mindestlohn. Der ist zwar höher als der gesetzliche Mindestlohn, liegt jedoch immer noch unter dem Tarifgeld liegt, das die Betroffenen selbst mit erstritten haben.
Die Beschäftigten, von denen sich niemand öffentlich äußern möchte, berichten, dass die Umkleidezeit unter der neuen Firma nicht länger als bezahlte Arbeitszeit gelte, was der wombat’s-Betriebsrat für das Reinigungsteam erst vor ein paar Jahren durchgesetzt hatte. Die Mitarbeitenden könnten von nun an außerdem in ganz Berlin eingesetzt werden, nicht nur im wombat’s.
Nach einigen Wochen fragt die taz erneut, ob sich angesichts der schweren Vorwürfe immer noch niemand von dem Berliner oder Wiener Management persönlich äußern wolle. Zurück meldet sich plötzlich eine bislang unbekannte Maren Fliegner, die kurzfristig als Pressesprecherin eingesetzt wurde. Diese bittet darum, vorab die Fragen sehen zu dürfen – es werden zwanzig an der Zahl. Darin geht es um das Verhalten des Reinigungsabteilungsleiters Figo, den Vorwürfen zu einer Unterschriftensammlung und anderen Aktionen gegen den Betriebsrat, Hausverbote, Kündigungen und Kündigungsversuche gegen Streikteilnehmer*innen, Drohungen, willkürlichen Lohnkürzungen, üble Nachrede und obszöne Schmierereien.
Die Antwort kam noch in der gleichen Woche zurück, und sie lautete: „Bedauerlicherweise stehen wir nun an einem Punkt, an dem diese Anfeindungen ein Ausmaß angenommen haben, das für uns nicht mehr hinnehmbar ist, sodass der Fortbetrieb des Hauses bedauerlicherweise nicht mehr möglich ist. Daher haben wir uns dazu entschieden, den Berliner Standort zum 31. 8. 2019 zu schließen.“
Auch die Beschäftigten erfuhren jetzt von der drohenden Schließung. „Wir finden es eine Schweinerei, dass sich die CEOs lieber hinter das Berliner Management stellen und ein wirtschaftlich erfolgreiches Haus schließen, als demokratische Strukturen zu akzeptieren“, sagt Ruth. Für unumstößlich halten sie die Ankündigung allerdings nicht. Sie machen weiter, am heutigen Freitag beginnen die ersten Verhandlungen über die bevorstehende Schließung. Ab 16 Uhr gibt es eine Demo vor dem Hostel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut