Mobbing im Cricket: Verwurzelter Rassismus

Ein Cricketspieler machte Rassismuserfahrungen im Club öffentlich. Sponsoren reagieren, Ex-Mitspieler wiegeln ab.

Zwei Mädchen mit Migrationshintergrund halten Unterstützungsplakate für Azeem Rafiq

Kampf gegen Rassismus und Unterstützung für Azeem Rafiq Foto: Peter Byrne/ap

Seit 2017 versuchte der in Pakistan geborene britsche Cricketspieler und ehemalige englische U-19-Kapitän Azeem Rafiq, 30, auf seine wiederholten Erfahrungen mit Rassismus im Yorkshire County Cricket Club (YCCC) hinzuweisen. Der YCCC ist einer der ältesten Cricketvereine Englands.

Die Vorfälle im Verein der nordenglischen Stadt Leeds zwischen 2008 und 2018 hätten ihn an Suizid denken lassen. Doch vier Jahre später, Rafiqs Beschwerden lagen seit 2018 auch formell vor, hat der Sportverein die Vergehen immer noch nicht im ganzen Umfang zugegeben. Nicht mal, nachdem die Untersuchung einer Rechtskanzlei im Auftrag des Vereins 7 der 43 von Rafiq genannten Vorfälle bestätigen konnte.

Die Kanzlei folgerte, dass Rafiq Opfer rassistischer Drangsalierung und Mobbings“ gewesen sei, wies jedoch gleichzeitig den Vorwurf des institutionellen Rassismus im Verein zurück. Strafmaßnahmen gegen von Rafiq genannte Übel­tä­te­r:in­nen fehlten. Die bestätigten Delikte sind unter anderem: rassistische Sprache durch Mitspieler und einen ehemaligen Coach, Belustigung über den Islam, Ignoranz von Vereinsregeln, als Rafiq sich wegen seiner Erfahrungen an den Klub gewandt hatte, fehlende Halal-Speisen bei Spielen und die ausbleibende Reaktion auf Rassismusmeldungen.

Der Gesamtbericht der Untersuchung wurde zunächst weder an Rafiqs Rechtsvertretung noch an den walisischen und englischen Cricket-Sportverband (ECB) ausgehändigt. Bisher fehlen Rafiqs Rechtsvertretung detaillierte Einzelheiten, wie die Kanzlei zu dem Urteil gekommen ist. Diese behauptet, dass einige der 26 Zeu­g:in­nen und andere Menschen nichts hätten sagen wollen. Weitere Vergehen könnten wegen unzulänglichen Zeugenaussagen nicht bestätigt werden.

„Unangemessenes Verhalten“

Yorkshire CCC reagierte auf den Bericht lediglich mit der entschuldigenden Festellung, dass Rafiq „das Opfer unangemessenen Verhaltens“ gewesen sei. Den Begriff Rassismus aus dem Bericht der Kanzlei wiederholte der Verein nicht. Wollte der Verein etwa den Anschein erwecken, als gäbe es bei ihm, wie dessen Präsident Hutton behauptet hatte, keinen Rassismus? Nicht nur Rafiq und seine Rechtsvertretung haben da eine andere Ansicht.

Inzwischen hat der Verein eine potenzielle Ermittlung der britischen Menschenrechts- und Gleichberechtigungsstelle am Hals und muss „ernste Fragen“ des walisischen und englischen Cricketverbands (ECB) beantworten. Er muss sich einem unabhängigen parlamentarischen U-Ausschuss vor Abgeordneten in Westminster stellen, verlor nahezu alle Sponsoren, darunter auch Nike, und darf keine lukrativen internationalen Spiele mehr austragen.

Rücktritt des Vereinspräsidenten

Am Freitag ist nun auch Vereinspräsident Roger Hutton gemeinsam mit zwei anderen Vorstandsmitgliedern zurückgetreten. Geschäftsführer Mark Arthur und Cricket-Direktor Martyn Moxon wollen bleiben, obwohl es von den beiden bisher angeblich keine entschuldigenden und bedauernden Worte zu hören gab. Der Cricketsportverband ECB setzte in der Zwischenzeit eine Untersuchung über Diskriminierung im britischen Cricket in Gang. Man will nun mehr von Rafiqs Erfahrungen hören und möchte im nächsten Sommer Empfehlungen herausgeben.

Zwei der Personen, die Rafiq in seinem Bericht erwähnt, stellten sich inzwischen freiwillig der Öffentlichkeit. Der ehemalige Cricketspieler Gary Balance bezeichnete seine rassistische Wortwahl in seiner Entschuldigung als lediglich „Umgangssprache zwischen zwei freundschaftlich zueinanderstehenden Teammitgliedern“. Ein anderer, Michael Vaughan, behauptete, „noch nie einen Spieler nach seiner Rasse beurteilt zu haben“.

Rassismus schon länger gegenwärtig

Auf Twitter kann sich jedoch je­de:r über seine politische Meinung informieren. Pro-Trump, sarkastisch gegenüber ausländischen Teams, außerdem befürwortet er die „Befragung aller Muslim:innen, ob sie Ter­ro­ris­t:in­nen seien“. Eine BBC-Fernsehsendung will ihn nun nicht mehr im Programm haben.

Im Verein war schon vor dem Zeitraum, den Rafiq nennt, Rassismus gegenwärtig. Eine exklusive Quelle der taz, ein in Leeds aufgewachsener Mann, inzwischen Mitte 40, dessen Eltern aus Pakistan stammen, schildert, wie ihm der ehemalige England- und Yorkshire-Kapitän Ray Illingworth in den 1990er Jahren unmissverständlich klargemacht habe, dass, „solange er [Illingworth, d. Red.] lebe, kein P*** je für den Club spielen werde“.

„Es setzte uns schwer zu“

„Das P*** Wort fiel oft, und gleichaltrige weiße Engländer beeilten sich, uns – es gab noch drei andere Spieler mit ähnlicher Abstammung – als P**** zu beschreiben. Wir versuchten, den Rassismus mit freundlichem Gesichtsausdruck zu schlucken. In Wirklichkeit setzte es uns schwer zu und hatte einen starken Einfluss auf mich und meine politischen Ansichten.“

Vor einem Jahr bestätigte ein weiterer Spieler, Rana Naved-ul-Hasan, „systematischen Spott“ in seiner Zeit beim Verein. Ein weiterer Spieler meldete sich in der letzten Woche zu Wort. Teammitglieder hätten ihm auf den Kopf gepinkelt. Blutschmiere, Überbleibsel eines Geschlechtsverkehrs mit einer Frau während ihrer Periode, hätten Teamkollegen mit einem muslimischen Gebetsteppich aufgewischt. Versprechen des Vereins, alldem nachzugehen, wurden versäumt, behauptete er.

Azeem Rafiq

„Mein Verein braucht dringend Reformen“

Neuer indischstämmiger Schirmherr

Auf Twitter schrieb Rafiq am Ende der letzten Woche, es ginge ihm nicht um seinen Fall oder die Worte bestimmter Individuen, sondern um institutionellen Rassismus und erbärmliche Fehler verschiedener Leitfiguren des Clubs und im Cricket. „Ich liebe den Sport und mein Verein braucht dringend Reformen.“

Der neue in Nairobi geborene und indischstämmige Schirmherr des Vereins, Lord Kamlesh Kumar Patel, 61, seines Zeichens Königlicher Ordensträger und Mitglied des britischen Oberhauses, House of Lords, will nun für diese Reformen sorgen. Während er von seinen eigenen Erfahrungen mit Rassismus in England sprach, gestand er, der Verein habe „viel Arbeit vor sich, um aus seinen Fehlern in der Vergangenheit zu lernen“.

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