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Moabit hilftGenug abgestrampelt

Kommentar von Susanne Memarnia

„Moabit hilft“ beschließt zu Recht Auszug aus der Turmstraße 90. Der Senat hätte dem Verein Anerkennung zollen und ihn finanziell unterstützen müssen.

Diana Henniges, Gründerin und Vorstand vom Moabit hilft e.V Foto: dpa

D ie Entscheidung von „Moabit hilft“, keine teuren Immobilien mehr mieten zu wollen, um die eigene Unabhängigkeit bewahren zu können, ist hart – aber nachvollziehbar. Hart, weil der Stadt nun eine wichtige Anlaufstelle wegbricht, bei der Bedürftige eine stets gut sortierte Kleiderkammer vorfanden und auf tatkräftige Hilfe in Sozialrechts- und Asylfragen rechnen konnten. Zwar soll letzteres weitergehen, die Hotline bleibt bestehen, Klienten werden auch künftig beraten und begleitet. Aber der niedrigschwellige Zugang, der physische Ort der Solidarität, wird fehlen.

Nachvollziehbar ist der am Mittwoch von den Vereinsmitgliedern nach langer Diskussion beschlossene Auszug aus der Turmstraße 90 insofern, als auch das größte Engagement irgendwann an seine Grenzen stößt. Seit über 10 Jahren ist die Moabiter Gruppe ein unermüdlicher Ausputzer von Problemen, die durch unsoziale und flüchtlingsfeindliche Politik sowie Behördenversagen entstehen. Die Ehrenamtlichen verhelfen Ratsuchenden zu ihrem Recht, besorgen Unterkünfte, Geld, was immer gebraucht wird – kurz: sie geben den Schwächsten der Gesellschaft Rat und Hilfe, wo der Staat es nicht tun will oder kann.

Auf der politischen Ebene legen die führenden Vereinsvertreter zugleich immer wieder den Finger in die Wunde und kämpfen für Einsicht bei den Verantwortlichen und strukturelle Verbesserungen. Das macht Leute wie Diana Henniges in den Augen von Politikern vermutlich zu ziemlich unbequemen und nervigen Gesprächspartnern, auf die man dennoch angewiesen ist, weil sie sich halt auskennen – zumindest, wenn man den Anspruch, dass Berlin eine soziale und weltoffene Stadt sein sollte, nicht völlig aufgegeben hat.

Und so sollte das eigentlich sein in einer demokratischen Gesellschaft: dass kritische Bürger, wie sie bei „Moabit hilft“ versammelt sind, Raum und Anerkennung bekommen, gerade von jenen Institutionen, die sie kritisieren. Doch das Wissen, dass dies zu einer Demokratie dazugehört, scheint bei manchen etwas verloren gegangen zu sein, wie man zuletzt an der Kampagne der CDU gegen staatliche Unterstützung für kritische NGOs sehen konnten.

„Moabit hilft“ bekommt noch nicht einmal staatliches Geld, der Verein finanziert sich allein für Spenden – aus genau diesem Grund: Man will unabhängig von Staatskohle sein und bleiben. Dennoch hätte der Senat den Leuten von „Moabit hilft“ schon längst Anerkennung zollen können und sollen für die geleisteten Dienste an der Stadt – etwa indem er kostengünstig Räume bereitstellt. Wofür hat man schließlich landeseigene Liegenschaften, wenn nicht für gute Zwecke?

Aber natürlich muss im durchkapitalisierten Staat alles Profit bringen, auch ein landeseigener Betrieb wie die Berliner Immobilien GmbH (BIM), der bisherige Vermieter von „Moabit hilft“ in der Turmstraße 90. Ein politisches Signal seitens des Senats, dass der BIM mehr Großzügigkeit gegenüber dem Verein erlaubt hätte, ist daher ausgeblieben.

Von Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) war die ganze Zeit nichts zu hören, obwohl sie schon im vorigen Sommer von der Linkspartei-Abgeordneten Elif Eralp und anderen auf das Mietproblem aufmerksam gemacht wurde. Und wenn nicht einmal sie sich kümmert, ist es kein Wunder, dass der CDU-Finanzsenator als Oberaufseher über den Immobilienbetrieb die Brieftasche zulässt.

Natürlich hätten die Leute von „Moabit hilft“ den ignoranten Senat ihrerseits ignorieren und sich weiterhin abstrampeln können, um jährlich tausende Euro Spenden allein für die Miete aufzutreiben. Aber wie gesagt: Irgendwann ist es mal gut.

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Redakteurin taz.Berlin
Jahrgang 1969, seit 2003 bei der taz, erst in Köln, seit 2007 in Berlin. Ist im Berliner Lokalteil verantwortlich für die Themenbereiche Migration und Antirassismus.
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