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Mitschnitt-Gate in KielKein König des Datenschutzes

Piraten-Abgeordneter schneidet heimlich Ausschusssitzung im Kieler Landtag mit. Fraktion schweigt drei Wochen lang zu dem Vorgang. Auf der Piraten-Website debattiert die Basis jetzt umso heftiger

Laptop stets dabei: König (hinten links) und Fraktion beim Gespräch mit dem heutigen Ministerpräsidenten Torsten Albig Bild: dpa

KIEL taz | Für „Rasputin“ ist die Sache klar: „Tretet zurück! Allesamt“ fordert er im Blog auf der Website der Piratenfraktion im schleswig-holsteinischen Landtag. Dafür hat er zwei Gründe: Zum einen hat der Piratenabgeordnete Uli König eine Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses des Parlaments am 8. August heimlich aufgezeichnet, zum zweiten hat er das erst jetzt mit dreiwöchiger Verzögerung eingeräumt. Diese Zeit war nötig gewesen, um zusammen mit dem Landesvorstand zu klären, „ob und in welcher Form eine Veröffentlichung angemessen ist“, begründete am Donnerstag Fraktionschef Patrick Breyer das Vorgehen.

"Transparenter Umgang mit Fehlern"

König selbst hat in einer schriftlichen Stellungnahme erklärt, er habe „einen Fehler“ gemacht: „Das wird nicht wieder vorkommen.“ Auf seinem Notebook habe er einen „privaten Tonmitschnitt“ angefertigt, um sich den Verlauf der Sitzung „später noch einmal in meinem Büro anzuhören“. Diesen Mitschnitt habe er, versichert der 31-Jährige, weder kopiert noch verbreitet und schon am Tag nach der Ausschusssitzung „gelöscht und überschrieben“. Er gehe damit jetzt in die Öffentlichkeit, „um zu zeigen, dass Abgeordnete der Piratenpartei auch mit ihren Fehlern transparent umgehen“, sagt der Informatiker, der nach eigenen Angaben aus „Widerstand gegen den Überwachungsstaat politisch aktiv wurde“.

Fraktionschef Breyer stellt klar, dass „eine den Anwesenden nicht erkennbare Aufzeichnung einer öffentlichen Sitzung im Widerspruch zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung steht und den Grundwerten der Piratenpartei widerspricht“. Der „sensible Umgang“ mit persönlichen Daten habe für die Piraten auch weiterhin „einen hohen Stellenwert“.

König stellt sich dem Piraten-"Mumble"

Das sieht auch der Parteivorstand so. Er beschloss am Mittwochabend nach Bekanntwerden des Vorgangs ein „Mumble“ am Sonntagnachmittag. Mit dieser Sprachkonferenzsoftware besprechen sich die Piraten regelmäßig online und dezentral. In diesem für Parteimitglieder öffentlichen „Mumble“ mit der Basis wollen Vorstand und Fraktion über die Affäre debattieren. Geklärt werden solle auch die Frage, „warum es drei Wochen gedauert hat, den Vorfall offenzulegen“, sagt Parteisprecher Torsten Krahn. Wäre das „unverzüglich“ passiert, wäre „der Unmut im Netz wohl nicht so groß“, vermutet er.

Bislang sind mehr als zwei Dutzend fast ausschließlich kritische Kommentare im Piraten-Blog eingegangen. Der Verwaltungsjurist Mike Weber aus Timmendorfer Strand, der im Mai für die Piraten als Bürgermeister für das Ostseebad kandidiert hatte, hat zwei umfangreiche Fragenkataloge an König und an die Fraktion ins Netz gestellt. Er will haarklein erfahren, wann wer was gewusst hat und warum so lange geschwiegen wurde.

König will Weber „die Antworten nicht schuldig bleiben“, versicherte er am Donnerstag im Gespräch mit der taz.nord. Er wolle „offen und ehrlich“ mit der Angelegenheit umgehen. Am Abend wollte er sich einem Piraten-Stammtisch in Kiel stellen, am heutigen Freitag in Lübeck. Und am „Mumble“ am Sonntag werde er auch teilnehmen. Aus Königs Sicht ist eine „neue Fehlerkultur“ in der Politik erforderlich: „Man muss Fehler einräumen können, ohne dass einem gleich der Kopf abgerissen wird.“

Kubicki: "Kinderkrabbelgruppe"

Während FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki die Piraten als „Kinderkrabbelgruppe“ verspottete, hat Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) Königs Entschuldigung akzeptiert. Im Piraten-Blog allerdings wird weiter heftig diskutiert. „Hat die Fraktion 20 Tage lang versucht, das Thema unter Verschluss zu halten?“, will „Rasputin“ wissen. Es sei „ein schlechter Witz“, dass die Fraktion vorige Woche in einer Aktuellen Stunde im Landtag „munter über Transparenz schwadroniert, aber intern absolute Intransparenz betreibt“. Und „Titus“ urteilt: „Mauern, mauern, mauern! Mann, ihr lernt echt schnell den Politikbetrieb.“ Einzig „Bürger“ steht an Königs Seite: „Wird Zeit, dass öffentliche Sitzungen generell aufgezeichnet und veröffentlicht werden.“

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3 Kommentare

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  • L
    Lenny

    Über die Art und Weise lässt sich sicher prima streiten. Und okay finde ich es auch nicht, Leute ohne ihr Wissen aufzunehmen (was allerdings vermutlich in SERH viel mehr Bereichen gang und gäbe ist, als man sich ausmalen möchte). Aber erstens ist es auch denkbar, dass Aufnahmetechnik in dieser Weise genutzt wird, um sich selbst eine Gedächtnisstütze zu verschaffen und Dinge im Nachhinein in Ruhe analysieren zu können. Eine Art unbestechliches Protokoll. Wichtiger finde ich aber das, was am Schluss gesagt wird: Wenn solche Sitzungen öffentlich wären und das jedem bewusst wäre, wäre der Transparenz durchaus geholfen.

  • L
    Lillie

    Bin enttäuscht von der taz, die sich nicht enthalten kann, als grüne Intelligenz so offen Piratenbashing zu betreiben, dabei aber über grün-basierte Politik aus den Reihen der Etablishment-Grünen so wenig Beiträge zu bringen hat.

     

    Mir wäre es möglich aus jedem x-beliebigen Forum mindestens 3 Mitglieder zu zitieren, die gegen grüne, blaue, schwarze, gelbe, rote oder bunte Politik kritisch sind. Das ist doch kein gut recherchierter Journalismus. Bitte machen Sie sich nicht selbst - wie einige ihrer anderen Kollegen - auch noch unglaubwürdig. Sie sind DIE taz.

     

    Im Übrigen könnte man dem zuletzt zitierten Forenuser auch zustimmen: Wieso sind Sitzungen eigentlich nicht öffentlich? Werden also nicht aufgezeichnet oder per Videostream ins Netz gestellt. Wird doch bei öffentlichen Sitzungen, die so angesagt sind, bereits in einigen Kommunen ganz einfach praktiziert.

  • P
    Piet

    Wenn der blitzsaubere Vitalienbruder

    nun prompt so uneigennützig

    eine neue "Fehlerkultur" fordert –

     

    heißt das, dass seine gedankenlose Hinterfotzigkeit

    gefälligst folgenlos zu bleiben hat?

     

    Wirklich ein vorbildlicher Widerstandskämpfer

    gegen den "Überwachungsstaat"!

     

    A la bonheur!