Mitgliederboom in Sportvereinen: Fein im Verein
Nach dem Coronatrauma stürmen die Menschen förmlich die Sportvereine. Der Sportbund vermeldet Rekordzahlen. Über 28 Millionen sind es bereits.
C orona hat die Menschen verändert. In vielerlei Hinsicht. Sie haben nun auch ein etwas anderes, wacheres Verhältnis zu ihrem Körper. Der stand fast drei Jahre unter besonderer Beobachtung, und viele haben nicht selten obsessiv versucht, sich gesund zu erhalten, was schwierig war, wenn der normale Sportbetrieb im Verein nicht mehr möglich war, weil diese oder jene Verordnung galt.
In anderen Worten: Die Menschen haben in dieser schwierigen Zeit den Wert des Sports wieder für sich entdeckt. Das mag für die individuelle Bewegung gelten, aber auch für den institutionalisierten Sport, der in den Coronajahren einen Alarm nach dem anderen schlug und fast nur negative Zahlen präsentierte.
Das ist nun anders. Der Deutsche Olympische Sportbund DOSB meldet Erfolge. Über 28 Millionen Menschen sind hierzulande in Klubs oder Vereinen eingeschrieben und treiben in der Gemeinschaft Sport. Konkret sind es nun 28,76 Millionen Mitgliedschaften, gut 890.000 (3,2 Prozent) mehr als im Vorjahr.
Seit 2023 ist ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen und überhaupt sind noch nie so viele Menschen seit 1954 in Sportvereinen aktiv gewesen. Corona hat sich für den DOSB also als Motor erwiesen. Man geht wieder in den Verein. Die Presseagenturen schreiben, der Vereinssport habe „ein starkes Comeback hingelegt“.
Wider den Trend: Eisschnelllauf
Er wirkt möglicherweise nicht mehr so verstaubt wie noch vor vier, fünf Jahren. Der Wert der Gemeinschaft ist gestiegen, man verausgabt sich nun wieder gern im Kollektiv, schätzt den Schnack und das Bier danach. Dass diese Erkenntnis erst in einer drastischen Phase von Verbot und Gängelung reifte, ist ziemlich schade und so sind es gerade Kinder und Jugendliche, die nun in die Vereine streben.
Auch das ist nur allzu verständlich, litten doch sie besonders unter Vereinzelung infolge von Lockdown und Schulschließung. Die Zuwächse bei den Jungen liegen teilweise im zweistelligen Bereich, auch die Mittelalten machen wieder deutlich mehr Sport im Verein.
In der sogenannten Bestandserhebung des DOSB ist nachzulesen, dass sie alle nun sehr gern zum Wellenreiten gehen, in den Dart-Verein, zum Billard und Cheerleading, Kickboxen, Basketball, Eishockey oder Tanzen. Fast überall geht die Zahl der Mitgliedschaften nach oben, nur zwei Sportarten stemmen sich gegen den Trend: Eisschnelllauf und Skibob.
Während das Skibobfahren als nichtolympische Disziplin eh am Rande steht, ist der olympische Eisschnelllauf, früher verlässlicher Zulieferer von Olympiamedaillen, seit Jahren in der Krise – unabhängig von Corona. Die Krise konnte mitnichten vom Präsidenten der DESG, der Deutschen Eisschnelllauf und Shorttrack Gemeinschaft, gebremst werden. Im Gegenteil. Seit Matthias Große im Amt ist, verlassen den eigentlich schönen Sport mehr Athletinnen und Athleten als hinzukommen: 2023 verlor die DESG 381 Sportler (15,81 Prozent), im Folgejahr 6 (0,3 Prozent). Der Sportbund sollte genauer hinschauen, was dort schiefläuft und insbesondere auf Finanztransparenz drängen.
Dadurch wird die Gesamtbilanz des DOSB natürlich nicht windschief, nein, und da Corona nicht nur eine kleine, ephemere Episode war, sondern buchstäblich unter die Haut ging, dürfte sich der Trend fortsetzen. Der Mensch als geselliges Wesen will sich vergemeinschaften und damit er das bis ins hohe Alter tun kann, treibt er nun mal Sport. Der Verein, und das soll jetzt bitte nicht verquast oder nach Funktionärsprosa klingen, ist dafür nicht der schlechteste Ort.
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