Mitgefiebert: Es ist mal wieder die Zeit für Retter
Wer ist eigentlich der Böse? Im Konflikt um die acht von Schließung bedrohten katholischen Schulen ist das nicht klar. Sicher ist es nicht sozial von der Kirche, wenn sie Schulen in ärmeren Vierteln aufgeben will. Und es erscheint arrogant, wenn Vertreter des Erzbistums, wie jüngst, dem Schulausschuss einen Korb geben, weil sie nicht mit der Initiative für eine Schulgenossenschaft am Tisch sitzen wollen.
„Wer nicht mit am Tisch sitzt, landet mit Pech auf der Speisekarte“, kommentierte Martin Helrich von der katholischen Jugend, der zur Retter-Initiative gehört, die Absage. „Mit Pech“, „Speisekarte“ – das klingt auch nicht gerade zart besaitet. Wären die Erzbistums-Leute gekommen, so hätten sie auf Powerpoint verfolgen können, wie die Genossenschaft binnen fünf Jahren eine schwarze Null erzielen will. Gehört eine Aussprache über diese Zahlen wirklich zuerst in den Schulausschuss? Müssen alle katholische Schulen gerettet werden?
Offenbar sehen das viele in der Stadt so. Es ist gerade Retterzeit, es gibt ein Retterthema. Der Schulsenator, der so übrigens elegant aus der Schusslinie gerät, hatte erst zwei Tage zuvor seine Statistik publiziert. Es gebe an den Staatsschulen weniger Abiturienten, weil mehr durchfielen, und es gibt mehr Hauptschulabgänger. Offenbar eine gute Nachricht in seinen Augen, aber auch Ergebnis restriktiverer Politik. Wer rettet die Abiturienten? Keiner. Die verschwinden in der Masse.
Um gerettet zu werden, muss man erst mal vom Wanderzirkus der Retter entdeckt werden. Es muss etwas Überschaubares sein, ein Fußballverein zum Beispiel, oder etwas Visionäres wie Olympia. Retter müssen die Kampagne für sich nutzen können. Ein Politiker zum Beispiel kann mit dem Hinweis, er sei ja auch auf einer Kirchenschule gewesen, Tiefgang andeuten, eine PR-Lady ihren Namen mal wieder in der Zeitung lesen.
Und doch ist eine Retteraktion als Zeichen von Renitenz sympathisch. Und da die Kirche ihre restlichen 13 Schulen behalten will, die Ini aber nur alle 21 oder keine, wird dieser Konflikt noch länger unsere Aufmerksamkeit fesseln. Kaija Kutter
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