: Mitflieger als Modellflieger?
■ Senator Strieder bleibt uneinsichtig. Beim Freiflug mit Dussmann habe er nur eine „Mitfahrgelegenheit“ wahrgenommen, um Steuern zu sparen. Ein Modell, das Schule macht? Dazu unser Pro und Contra
Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) kann auch nach öffentlicher Kritik nichts Anrüchiges an seinen Dienstreisen auf Firmenkosten finden. Bei seiner Russlandreise, die er auf Kosten der Firma Dussmann unternommen hatte, habe er lediglich „eine Mitfahrgelegenheit nach Moskau wahrgenommen“, verteidigte sich Strieder gestern. Im Juli 1998 sei er mit der Recyclingfirma Alba nach Tschechien geflogen, „natürlich auch, um die Reise für Journalisten dadurch attraktiver zu machen, dass ein Politiker dabei ist“. Der Senator fügte hinzu: „Ich würde das auch wieder machen.“
Nach Strieders Ansicht handelt es sich bei den Freiflügen lediglich um eine Form des Sponsorings wie in anderen Bereichen auch. Bildung sei ebenfalls eine hoheitliche Aufgabe, trotzdem werde es in der Öffentlichkeit begrüßt, wenn Privatfirmen die Computerausrüstung für Schulen finanzierten. Die demokratischen Entscheidungsprozesse in Senat und Abgeordnetenhaus schlössen eine Einflussnahme aus.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Wowereit sieht dagegen Klärungsbedarf bei der Frage, ob Senatoren auch Privatjets nutzen dürfen. Er forderte gestern eine Klärung innerhalb des Senats. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) solle sich mit den Senatoren auf eine einheitliche Linie verständigen, sagte Wowereit. Am Verhalten seines Parteifreundes Strieder sei jedoch „nichts zu beanstanden“. Nach dem Willen der Grünen soll der Vorfall jedoch ein parlamentarisches Nachspiel im Hauptausschuss des Parlaments haben.
In anderen Senatsverwaltungen war es offenbar üblich, dass ähnliche Reisen aus dem Landeshaushalt bezahlt wurden. Als beispielsweise die damalige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) 1998 in Atlanta mit dem neuen Bewag-Eigentümer Southern Energy verhandelte, trat sie den dortigen Bossen nicht als Kostgängerin gegenüber: Die Kosten für den Flug beglich sie aus dem eigenen Etat. Auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) reisten bei Flügen in die Vereinigten Staaten nicht kostenlos. Ihre Informationen über Kriminalitätsbekämpfung und Direktflüge nach Berlin holten sie auf Kosten der Steuerzahler ein. rab
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