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Mitfahrgelegenheit per BankHier hinsetzen? Abgefahrene Idee!

Vor der Gaststätte unseres Autors steht eine Mitfahrbank. Sie soll Trampen vereinfachen. Das Problem ist nur: Das will ohnehin kaum jemand.

So schön hier, da will man gar nicht weg. Ein Grund, warum wenige sie nutzen? Foto: Zoonar/imago

S chräg gegenüber von unserem Gasthaus steht eine Bank. Sie sieht ganz stabil aus, das weißlackierte Metall ist ohne Patina, und dennoch: Lässt sich jemand darauf nieder, ist das eine solche Sensation, dass ich immer versucht bin, ein Foto zu machen. Denn das passiert so ungefähr einmal im Jahr.

Warum sich hier niemand hinsetzt? Weil die Bank gar nicht zum Sitzen da ist – jedenfalls, wenn man es wörtlich nimmt, in der Logik Karl Valentins. Sonst würde auf dem dazugehörigen Schild schließlich „Sitzbank“ stehen und nicht „Mitfahrbank“. Denkt man in der Logik weiter, müsste man nun darüber sinnieren, welche Gefährte sich dafür eigneten, dass auf ihnen Bänke mitfahren. Gleich zwei Gründe, warum die „Mitfahrbank“ so leer herumsteht.

Leere Bänke sieht man im Übrigen nicht nur in Unterfranken. In der Schweiz heißen sie Mitfahrbänkli, Baden-Württemberg hat sogar „Nimm-mich-mit-Häusle“. Der Wikipedia entnehme ich, dass die ersten dieser Nicht-Sitzgelegenheiten 2014 in Rheinland-Pfalz aufgestellt worden sind. Nimmt doch mal jemand Platz, „signalisieren die Wartenden, dass sie auf eine spontane, kostenlose Mitfahrgelegenheit im Pkw zu einem bestimmten Ziel hoffen“.

In der Bank steckt also ein ganz menschenfreundliches Motiv. Sie soll die Funktion des ausgestreckten Daumens übernehmen und dem Anhalter noch eine weitere Annehmlichkeit bieten. Er darf sich setzen. Nur: Warum geregeltes Trampen, wenn schon das Trampen selbst aus der Mode gekommen ist?

Mitfahrbank spärlich akzeptiert

Es ist nicht so, dass es gar keinen Bedarf für Alternativen zum eigenen Pkw gäbe. Viele unserer Übernachtungsgäste würden gern mit dem Zug kommen. Aber das scheitert angesichts der Schwierigkeiten, sich mit dem ÖPNV in der Region zu bewegen. Die Mitfahrbank ist für sie dennoch keine Option. Die Verkehrsforschung hat für diese spärliche Akzeptanz der Bank inzwischen ein Problem identifiziert. Wer wegfährt, will in der Regel wissen, ob es eine Möglichkeit gibt, zurückzukommen. Das lösen gemeinhin Fahrpläne von Bus und Bahn.

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Neuerdings gibt es einen Rufbus, mit App namens Callheinz, der sich großer Beliebtheit erfreut. Was die Mitfahrbänke angeht: Ich habe in der weiteren Umgebung keine einzige entdeckt, bei der das Schild zu uns nach Castell weisen würde.

Einmal ist mir bei der Recherche eine Bank begegnet, die nicht verlassen war. Ich machte fast eine Vollbremsung und stieß die Beifahrertür auf. Der alte Mann auf der Bank sah mich verständnislos an. „Sie sitzen auf der Mitfahrbank“, rief ich. „Ich nehme Sie mit, egal wohin.“ Der alte Mann winkte mit beiden Händen ab. „Ich sitz nur kurz“, sagte er. „Ich geh gleich weiter.“

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Jörn Kabisch
Autor
Wirt & Autor für taz und FuturZwei
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5 Kommentare

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  • Trampen, das war mal eine Option für preiswerte Mobilität. So beliebt, dass daraus das Geschäftsmodell der Mitfahrzentrale entstand. Das war im letzten Jahrhundert. Seither hat sich einiges verändert. Berichterstattung über Verbrechen in Zusammenhang mit dem Trampen hatten da ihren Anteil. Wichtiger waren vielleicht gestiegene Ansprüche an Mobilität und ein geändertes Verhältnis zum eigenen Auto. Heute ist das Auto mehr Schutzzelle und Wohlfühlzone, vollgestopft mit Komfort und Unterhaltungselektronik, als nur Mittel zur Fortbewegung. Da will man keine Fremden dabei haben, die das eigene Wohlbefinden stören könnten. Und wer will heute noch trampen? Warten kann man auch am Bahnsteig, ein Auto kann man sich leihen und in der Anonymität eines Zugabteils oder der mobilen Leihzelle kann man sich auch bestens gegen Fremde abschotten.

    Verloren gehen dabei Einblicke in die Lebensweisen der anderen wie dieser: Nachts um 1 Uhr, ein Porsche hält und ich werde mit ca. 200 km/h über die Bundesstraße gefahren. Plötzlich im Rückspiegel ein Licht, das schnell näher kommt und dann an uns vorüberfliegt. So lernt man, dass es für menschliche Dummheit keine Obergrenze gibt.

  • Zum Glück wird die Bank nicht genutzt.

    www.lka.polizei-nd...rampen-113835.html

  • mit diesen Bänken drücken sich die Gemeinden davor einen öffentlichen Nahverkehr einzuführen. Würden Sie Ihre Tochter abends auf diese Bank setzen?

  • Wer nicht mitfahren will stellt bei uns das Schild (über der Bank ist immer so ein Klappschild!) auf "PAUSE".

    Fall erledigt. Ist das in anderen Gegenden nicht so? Warum nicht? Man muss doch nicht alles zum Problem machen.

  • Mitfahrbedarfe gibt es weiterhin. Aber trampen ist vorbei. Leute, die an Autobahnauffahrten mit Schildern Rom, Paris oder sonstwo stehen - Fehlanzeige. Studies, die per Daumen aus der Innenstadt zum Campus möchten - Fehlanzeige. Sind Mitfahrzentralen noch in Betrieb?



    Für die jungen Leute, sprich Studierende, hat sich aber auch einiges getan: in der Stadt meist ein ÖPNV Ticket in den Semestergebühren, für weiter weg das D-Ticket. Und ausserdem hat sich die KFZ Anzahl stark erhöht. Wer selber fährt, trampt nicht. Die Bänke sind eine nette Idee, gerne auch mal als innovativ gefördert, aber einen Bedarf gibt es dafür nicht.