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Mit oder ohne Hakenkreuze?

Bundesländer uneins bei Zählweise extremistischer Straftaten. Ein Kriterienkatalog liegt vor, wird aber noch nicht umgesetzt. Deshalb gibt es vorerst gar keine Statistik

BERLIN taz ■ Es geht ums Image. „Kein Land möchte plötzlich an der Spitze der braunen Gewalt stehen“, sagt die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke. Und deswegen werde hinter den Kulissen um die Statistik gefeilscht.

Bislang konnte jedes Bundesland selbst festlegen, was eine extremistische Straftat ist. Das führte zu völlig unvergleichbaren Statistiken. Jetzt soll es einheitlich werden. Schon Anfang Januar erstellte ein Arbeitskreis der Innenminister neue bundesweite Kriterien zur Erfassung extremistischer Straftaten. Doch veröffentlicht und umgesetzt wurde das Papier bisher nicht.

Nach den Vorschlägen des Arbeitskreises, die der taz vorliegen, soll die „politisch motivierte Tat“ zum zentralen Begriff des Meldedienstes werden. Das Spektrum der Taten, die als extremistisch eingestuft werden, wird in dem Papier weit gefasst. So sollen Überfalle auf Obdachlose künftig in den Statistiken mit auftauchen. Auch wer wegen seiner sexuellen Orientierung oder wegen Behinderung angegriffen wird, müsse als Opfer extremistischer Gewalt gelten.

In diesen Punkten besteht unter den Ländern Einigkeit. Gestritten wird um die so genannten Propagandadelikte. Darunter fallen die öffentliche Aufführung rechtsextremer Musik, Hakenkreuzschmierereien oder das Tragen verfassungsfeindlicher Symbole. Mecklenburg-Vorpommern will diese Delikte nur mitzählen, wenn die Polizei einen Täter gefasst hat. „Wenn auf ein Schulklo dreißig Hakenkreuze geschmiert wurden, wie sollen wir das ohne Täter werten? Als eins oder als dreißig Delikte?“, fragt der Sprecher des Innenministeriums in Schwerin, „man muss die Straftaten einordnen, statt die Polizisten loszuschicken, um Hakenkreuze zu zählen.“ Im geschilderten Fall habe der gefasste Schüler angegeben, nur die Lehrer ärgern zu wollen. Da wäre es somit gar keine extremistische Straftat gewesen.

Thüringen hingegen hat wie die meisten Bundesländer keine Probleme, Propagandadelikte auch ohne Täter in die neuen Statistiken mit aufzunehmen. Das Bundesland hatte schon immer eines der strengsten Erfassungsverfahren. „Für die anderen ist es natürlich unschön, wenn mit einer neuen, strengen Zählweise ihre rechten Straftaten statistisch zunehmen“, sagt Andreas Karmrodt, Sprecher im Thüringer Innenministerium.

Der Streit führte dazu, dass das Bundesinnenministerium für die ersten Monate 2001 noch keine offiziellen Zahlen über rechte Gewalttaten herausgegeben hat. Noch Ende Januar ging Schilys Sprecher davon aus: „In zwei Wochen sind sich die Länder einig.“ Jetzt heißt es: „Frühestens zur nächsten Innenministerkonferenz im Mai werden die neuen Kriterien beschlossen.“

Jelpke forderte unterdessen ihre Parteikollegen in der Schweriner SPD/PDS-Koalition auf, das Innenministerium unter Druck zu setzen. „Momentan entsteht der Eindruck, das Land bagatellisiere Rechtsextremismus. Die PDS muss klar sagen, dass das nicht geht.“ RALF GEISSLER

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