■ Mit Verkehrsprivatisierung auf du und du: Nahverkehr im dunkeln
Berlin (taz) – 40 Prozent der Arbeitsplätze streichen, den Lohn flächendeckend um 20 Prozent reduzieren – solche Vorschläge stehen in einem Papier, das die Spitze der Berliner Landesregierung mit der Deutschen Bahn AG ausgehandelt hat. Denn der Senat sucht nach Mitteln, die defizitären Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) umzubauen und zu privatisieren. Die BVG, mit 16.400 Beschäftigten das größte Nahverkehrsunternehmen der Republik, ist auf dem besten Weg in die Pleite. In diesem Jahr überweist SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing 920 Millionen Mark Verlustausgleich an die BVG, doch trotzdem liegt das Defizit bei rund 1,3 Milliarden.
Ein Befreiungsschlag soll deshalb die Misere beheben. Das Land Berlin und die Bahn AG wollen eine privatrechtliche Verkehrsholding gründen, der dann die bisherigen BVG- Sparten U-Bahn, Bus und Straßenbahn sowie die Bahntochter S-Bahn als neue GmbHs unterstellt wären. Die BVG selbst bleibt wie bisher Anstalt Öffentlichen Rechts und beschäftigt offiziell die gesamte Belegschaft. Außerdem stellt sie Streckennetze und Fahrzeuge zur Verfügung, die die Verkehrsholding mieten soll. Der Effekt für die Bahn AG als Mehrheitseignerin der Holding dürfte günstig sein. Sie braucht sich um das Personal, Pensionen und die teure Instandhaltung der zum Teil veralteten Schienennetze nicht zu kümmern. Die Bahn AG würde langfristig nur noch 60 Prozent des BVG-Personals ausleihen, zudem zu geringeren Tarifen. Und neue MitarbeiterInnen der Holding würden direkt zu schlechteren Löhnen eingestellt. Ergebnis: Die Holding könnte im Wettbewerb der liberalisierten Verkehrsmärkte bestehen.
Was das Geschäft allerdings dem Senat bringen soll, bleibt im dunkeln. Das Land spart nicht an den Personalkosten, denn es muß den bisherigen BVG-Leuten die Lohndifferenz bezahlen, die die Holding nicht aufbringen will. Außerdem soll die alte, weiterhin in Landesbesitz bleibende BVG- Anstalt die hohen Infrastrukturkosten tragen. Die Nachteile freilich zeichnen sich bereits jetzt ab: Schwindender Einfluß auf den Nahverkehr der Großstadt und ein schlechteres Angebot für die Bevökerung. Denn im Papier steht auch, daß Straßenbahn-, U-Bahn- und Buslinien um bis zu zehn Prozent reduziert werden sollen. Hannes Koch
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