■ Mit Treuhand und Co. auf Du und Du: Umstrittene Geschichte einer Anpassung
Berlin (ta*) – Wem fallen beim Namen Treuhandanstalt nicht viele Beispiele von misslungener Privatisierungspolitik ein: Schmiergelder beim Verkauf der Erdölraffinerie Leuna, Immobilienbetrug mit verseuchtem Gelände der Glühlampenfabrik Narva, Milliardenverschiebungen beim Werftenverbund Bremer Vulkan und reich gewordene Liquidatoren, längst in Haft schmorende Privatisierungsberater – die Geschichte der Treuhandanstalt und ihrer Nachfolgerin BvS (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) ist eine Reihe von Betrügereien, Pannen und Peinlichkeiten – wenn man ausschließlich auf die Skandale blickt.
Aber die Treuhand-Historie ist auch die Geschichte einer beispiellosen Transformation. Des „Ausverkaufs einer kompletten Volkswirtschaft“, wie die einen sagen. Oder der Umwandlung einer „maroden Plan- in eine funktionstüchtige Marktwirtschaft“, wie die anderen meinen.
Was bleibt: die Betreuung von 6.300 Firmen
44.119 Unternehmen, Betriebsteile und andere Vermögenswerte, die aus der Aufspaltung der Kombinate und Volkseigenen Betriebe der DDR hervorgegangen waren, haben die Treuhand und BvS nach eigenen Angaben seit 1990 an private Investoren verkauft. Im Portfolio befinden sich nun nur noch 311 Betriebe, die im Liquidationsverfahren stecken, in der Regel also leere juristische Mäntel, Firmen, die längst nichts mehr herstellen. Hier müssen noch Gläubiger befriedigt und Namen aus dem Handelsregister gelöscht werden.
32.954 Privatisierungen sind komplett beendet, allerdings sind rund ein Achtel davon beim Konkursrichter gelandet. Viele privatisierte Betriebe arbeiten immer noch nicht rentabel, könnte also ebenfalls früher oder später Pleite gehen.
Bei 6.308 Unternehmen laufen die Privatisierungsverträge noch. Die Überwachung der darin festgelegten Beschäftigungs- und Investitionsversprechen ist eine der verbliebenen wichtigen Aufgaben der BvS: Insgesamt hatten die Käufer Investitionen in Höhe von 134,9 Milliarden Mark und 829.312 Arbeitsstellen versprochen. Und die Versicherungen der Firmenkäufer sind laut der BvS – im Schnitt – mehr als erfüllt worden: Die Statistik weist ein Neuntel mehr Stellen und ein Viertel mehr Investitionen, als in den Verträgen festgelegt.
Nicht die volle Wahrheit steckt in der Statistik
Allerdings weisen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, das Kieler Institut für Weltwirtschaft und das Institut für Wirtschaftsforschung Halle in ihrem 19. gemeinsamen Bericht „Anpassungsfortschritte in Ostdeutschland“ darauf hin, dass die Gesamtbetrachtung nicht die volle Wahrheit enthüllt. Während nämlich nur ein Drittel der Unternehmen tatsächlich mehr Beschäftigte eingestellt hat, ist es bei einem anderen Drittel genau umgekehrt. Und 16 von Hundert haben ihre Investitionsversprechen nicht eingehalten. Bei jeder fünften der seit 1995 abgeschlossenen mehr als 7.000 Nachverhandlungen ging es um genau dieses Thema.
Über die wahren Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt im Osten enthüllen diese statistischen Nummern ohnehin nichts. In der DDR-Wirtschaft waren 10 Millionen Frauen und Männer beschäftigt. Heute sind es noch 6,5 Millionen. 1,6 Millionen sind arbeitslos gemeldet, die anderen finden sich in Arbeitsmarktmaßnahmen, Fortbildungen oder im Vorruhestand wieder. bw
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