■ Mit Sprachveränderungen auf du und du: Haste mal 'nen Euro?
Nürnberg (taz) – Handel und Industrie machen sich schon Gedanken über die künftigen Schwellenpreise. Was wird aus den beim Verbraucher so beliebten Preisangaben von 1,99 DM oder 49,90 DM ? Und was werden Schnorrer künftig tun: Stellen sie ab 2002 um auf „Haste mal 'nen halben Euro?“. Oder wollen sie vielleicht eine massive Preiserhöhung für die Beruhigung des sozialen Gewissens durchsetzen und einfach frech auf „Haste mal 'nen Euro?“ wechseln.
Für die Festsetzung der neuen Preise ist noch Zeit, auch wenn ab Januar 1999, dem Starttermin des Euro, die Dynamik zunehmen wird. Keine Zeit, so meinen Sprachwissenschaftler, bleibt uns, die Grammatikregeln für die Einführung des Euro zu veröffentlichen. Ist das überhaupt richtig – „für die Einführung des Euro“–, oder muß es nicht heißen „für die Einführung des Euros“? Bei der Duden-Redaktion in Mannheim hält man das angehängte S beim Genitiv Singular für fakultativ, d.h., es kann angehängt werden, muß aber nicht.
Bei der Mehrzahl hingegen muß das S hinter Euro stehen – es muß also heißen „Ich hab' eine Menge Euros“. Wenn jedoch eine Zahl hinzukommt, darf man das Plural-S nicht anhängen: „Der Anzug kostet 200 Euro.“ Das entspricht dem heutigen Sprachgebrauch. „Ich brauche 30 Mark“ oder „Gib mir 50 Dollar“ und nicht etwa Marks oder Dollars. Beim Cent, dem künftigen Euro-Pfennig, ist es ähnlich – eine Menge Cents wird möglich sein, aber ein Schokoriegel wird wohl 50 Cent kosten. Für den Eingang in Volksweisheiten wird der Euro mit seinen Cents wohl noch Jahrzehnte brauchen. Auch wenn der Heller schon seit 1873 in Deutschland nicht mehr existiert: auf Heller und Pfennig wird immer noch abgerechnet.
„Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert“ klingt irgendwie geläufiger als „Wer den Cent nicht ehrt, ist des Euros nicht wert.“ Und auch weiterhin, so vermuten die Wissenschaftler von der Gesellschaft für Deutsche Sprache, werden sparsame Menschen die Mark zweimal umdrehen, bevor sie den Euro ausgeben. Auch Ausdrücke wie „Dafür gibt's keine müde Mark“ oder „Die schnelle Mark machen“ dürften sich halten.
Bei der weitverbreiteten Skepsis in der deutschen Bevölkerung gegenüber der neuen europäischen Einheitswährung ist eher damit zu rechnen, daß neue Redewendungen entstehen, die den Euro als Synonym für unerwünscht und wenig stabil kennzeichnen: „Willst du mir etwa 'nen Euro für zwei Mark andrehen?“ Peter Wickel
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