■ Mit Rossendorf auf du und du: Krebsrisiko oder nicht?
Dresden (taz) – Das hatte sich das sächsische Gesundheitsministerium eigentlich anders vorgestellt: Eine halbe Million Mark investierte der Freistaat Sachsen in eine Studie, die klären sollte, ob in der Umgebung des ehemaligen Kernforschungszentrums Rossendorf eine erhöhte Krebsgefahr besteht. Die Studie liegt zwar seit vergangenem Jahr mit eindeutigem Ergebnis vor. Dennoch wissen die Betroffenen nicht, ob für sie nun Gefahr besteht. Die Wissenschaftler streiten weiterhin, ob das Ergebnis seriös ist oder nicht.
In den letzten Jahren schienen sich dort, wo einst ein Forschungsreaktor DDR-Wissenschaftlern Daten lieferte, Leukämieerkrankungen bei Kindern zu mehren. So sind in der kleinen Gemeinde Lohmen – etwa zehn Kilometer von Rossendorf entfernt – vier Kinder im gleichen Alter erkrankt. Das Leukämierisiko von Kindern gilt wiederum als signifikantestes Merkmal einer erhöhten Strahlenbelastung.
Die vom PreCura-Institut aus Schneeberg verfaßte Studie kommt aber zu dem Schluß, daß diese Häufung nichts mit einer erhöhten Strahlenbelastung durch den Rossendorfer Reaktor zu tun hat. Die Ergebnisse seien „wissenschaftlicher Schrott“, erwiderte Ende September Eberhard Greiser, anerkannter Krebsforscher und wissenschaftlicher Leiter des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin.
„Fundamentale Rechenfehler“ habe er gefunden, so Greiser. „Sämtliche Statistiken, auf die sich die wesentlichen Schlußfolgerungen stützen, sind falsch.“ Da die korrekte Auswertung eindeutig ein höheres Krebsrisiko im Rossendorf- Umfeld zeige, müßten sämtliche Daten neu ausgewertet werden. Greiser hatte sich einst selbst um den Studienauftrag bemüht.
Auf einer Pressekonferenz bezogen gestern wiederum die Autoren des PreCura-Instituts Stellung. „Unsere Studie war so angelegt, daß sie einen konkreten Zusammenhang zwischen radioaktiver Strahlung und erhöhtem Krebsrisiko herausgefunden hätte, falls er bestehen würde“, bekräftigte der Strahlenbiologe Jürgen Conrady. Greiser warf er vor, an seine Analysen ideologisch heranzugehen, weil er von vornherein davon ausgehe, daß in der Umgebung von Kernkraftwerken ein erhöhtes Risiko besteht.
Ministeriumssprecher Karltheodor Huttner kündigt an, wahrscheinlich noch in diesem Jahr ein wissenschaftliches Kolloquium zur Studie im Dresdner Hygiene-Museum abzuhalten. „Erst dann werden wir uns möglichen Konsequenzen stellen.“ Und erst dann wird sich zeigen, ob die halbe Million gut angelegt ist.
Brisant ist das Thema auch, weil noch in diesem Jahr ein Castor-Transport die nuklearen Altlasten des Forschungszentrums ins nordrhein-westfälische Ahaus transportieren soll. Nick Reimer
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