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■ Mit Lebensmittelbestrahlung auf du und duUnter Beschuß

Brüssel (taz) – Glaubt man der Weltgesundheitsorganisation (WHO), so könnte Lebensmittelbestrahlung der „Allesbrenner“ unter den Konservierungsmethoden werden. Gegen Salmonellen in Geflügelfleisch, gegen Auskeimen von Zwiebeln und Kartoffeln, gegen Fruchtfliegen bei Obst und für wochenlang haltbares Gemüse. Die WHO befürwortet ebenso wie die Internationale Atombehörde (IAEO) die Bestrahlung uneingeschränkt: „Die Methode ist sicher und ernährungsseitig adäquat“, so der Direktor der WHO-Lebensmittel-Abteilung, Fritz Käferstein.

Ähnlich wie im Mikrowellenherd werden die Lebensmittel einer Strahlenquelle ausgesetzt, allerdings mit höherer Energie und Intensität. Bislang werden Paletten mehrstündig an radioaktivem Kobalt 60 vorbeigeführt oder die Produkte, wie etwa gefrorener Fisch, unter der Kanone eines Elektronenbeschleunigers beschossen. Mikroorganismen innerhalb der Produkte werden abgetötet, etwa Salmonellen, die in Huhn- und Eiprodukten in geringer Menge gewöhnlich vorhanden sind und mitverzehrt werden. Bestrahltes Flüssigei etwa, das aus Belgien vor zwei Jahren trotz Verbots in Deutschland auf den Markt kam, wurde nur anhand der kaum meßbaren Zahl an Mikroorganismen als „bestrahlt“ nachgewiesen, so die Bundesforschungsanstalt für Ernährung (BfE). Das Flüssigei wurde daraufhin zwar vom Markt genommen, kurz darauf aber erneut angeboten.

Probleme mit Salmonellen entstehen in der Regel bei der industriellen Massenproduktion, so bei der maschinellen Huhnverwertung, bei der das Fleisch mittels Hochdruck vom Skelett gezogen und in Prozeßketten weiterverarbeitet wird. Präventiv wird darum in Frankreich und den Niederlanden bestrahlt. Selbst Cornflakes und Müsli stehen in den Niederlanden, England und Frankreich auf der „Beschußliste“, ebenso wie alle Arten Tiefkühlgerichte.

Die Kosten für das Strahlenbombardement pro Tonne Lebensmittel reichen von 15 Dollar für geringe Bestrahlung, um etwa das Auskeimen von Kartoffeln und Zwiebeln zu verhindern, bis zu 250 Dollar zur Hochdosis-Bestrahlung von Gewürzen. Immens teuer wird es, wenn lange Transportwege, dazu noch für gekühlte Produkte, zum Bestrahler anfallen. Kleinere Lebensmittelanbieter dürften Kosten in Höhe von drei bis fünf Millionen Mark für eigene Anlagen und den zusätzlichen Schutz des radioaktiven Materials kaum aufbringen können. Rund 170 dieser Anlagen existieren weltweit. Peter Sennekamp

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