Mit Giffey durchs Schwule Museum: Braves Fremdeln
Die Familienministerin und Anwärterin als Berliner Regierungschefin tut sich schwer mit der queeren Geschichte und Familienpolitik.
Für Politiker*innen, die die sogenannte bürgerliche Mitte vertreten möchten, ist es entscheidend, die richtige Balance zu halten zwischen konservativen und progressiven Signalen. Franziska Giffey, Neuköllner Ex-Bürgermeisterin, aktuelle Bundesfamilienministerin und Anwärterin auf den Berliner Bürgermeister*innenstuhl, weiß das natürlich. Schließlich ist sie eine Sozialdemokratin vom alten Schlag.
Und so meldete sie sich am Freitagmorgen – zwei Wochen, nachdem sie gemeinsam mit dem Berliner Innensenator Andreas Geisel (ebenfalls SPD) eine Berliner Polizeischule besucht hatte – für eine Führung durchs traditionsreiche Schwule Museum (SMU) in Tiergarten an. Ein solches queerpolitisches Signal war auch dringend nötig geworden, weil Giffey mitverantwortlich gemacht wird für den Entwurf des „Adoptionshilfegesetzes“, das die Diskriminierung lesbischer Mütter fortgeschrieben hätte. Unter anderem auf die Initiative von Berliner Linken und Grünen hin versagte Anfang Juli der Bundesrat dem Gesetz seine Zustimmung.
Das teils ehrenamtlich gestemmte Museum wiederum, das für seinen geplanten Neubau auf Senatsmittel hofft, freute der Besuch der potentiellen Landeschefin natürlich. „Wir müssen uns mit unserer Einzigartigkeit ins Gespräch bringen in der Bundes- und Landespolitik“, sagte SMU-Vorständin Birgit Bosold vor Giffeys Eintreffen der taz.
Doch zum Rundgang durch die aktuellen Ausstellungen und das überquellende Archiv im Keller kam keine Queerministerin. Eine Bürgermeisterin, von der queerpolitisch viel zu erwarten wäre, blitze am Freitag auch nicht auf. Denn Giffey blieb ganz bürgerliche Karrierefrau im violetten Kostüm und fremdelte sichtlich mit der oft schmutzigen und radikalen deutsch-deutschen Bewegungs- und Gefühlsgeschichte, die gerade im SMU erzählt wird.
„Das sieht ja eigentlich ganz brav aus.“
Das Exponat „Fenster zum Klo“, das die Berliner Klappensexkultur zum Thema macht, entlockt Giffey nur ein verschämtes „Ja“. Schnell wendet sie sich daraufhin einem ausgestellten Kleid zu: „Das sieht ja eigentlich ganz brav aus.“ Ein SMU-Mitarbeiter kommentiert: „Aber was man darin machen kann, ist alles andere als brav“, und erklärt, warum das Kostüm aus dem Kultfilm „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ von 1971 in der Kategorie „Wut“ gezeigt wird. Auch als Bosold von den mutigen Lesben und Schwulen erzählt, die 1973 bei den DDR-Weltfestspielen erstmals öffentlich auftraten, bleibt Giffey brav bürgerlich: „Meine Mutter war damals auch bei dem Festival. Das war eine Auszeichnung für gute Schüler.“
Am Ende des Besuchs möchte sich Giffey wenigstens ein wenig kämpferisch geben: Sie verstoße mit dem Hissen der Regenbogenfahne vor ihrem Ministerium jedes Jahr zum Pride-Monat gegen die Flaggenordnung. Wer für Queers, insbesondere Lesben etwas verändern möchte, muss sich für Progessivität entscheiden und mehr als das riskieren.
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