■ Mit Fußballaktien auf du und du: Erstklassiges Risiko
Hamburg (taz) – England, das Mutterland aller Kicker, ist auch das Vaterland des Fußball- Kapitalismus: Die Tottenham Hotspurs erschienen im Oktober 1983 als erstes auf dem Börsenzettel. Damals glaubten die Verantwortlichen noch, Kapital für den Fußball zu beschaffen, inzwischen läßt das Kapital den Fußball anschaffen. Es dauerte aber noch fast ein Jahrzehnt, bis sich der nächste Klub traute: Manchester United, inzwischen die kapitalstärkste Fußballfirma auf dem Globus. Erst im September 1995 setzte dann im britischen Soccer ein Run auf die Finanzplätze ein. Derzeit stellen die Fußballklubs an der Londoner Börse, so schätzt die Deutsche Bank, einen Kapitalwert von umgerechnet fast vier Milliarden Mark dar.
Ausgelöst hatte dieses Fußballfieber das Fernsehen, das wiederum den Soccer für die Durchsetzung seiner frischen Programmangebote benutzte. Die neuen Privatsender und später das Abonnements-TV bescherten den Klubs Fernsehgelder in bislang unbekannten Dimensionen. Nutznießer waren vornehmlich die Teilnehmer an europäischen Wettbewerben. Die massive Fernsehpräsenz bescherte dann neue Werbekunden sowie einen taufrischen Geschäftszweig: Aus dem Verkauf von Fanartikeln für ein paar Kuttenträger wurde das „Merchandising“, mit seiner Millionenkundschaft der bald gewichtigste Bilanzposten – Manchester United erzielt mehr als 31 Prozent seiner Umsatzerlöse daraus. Die finanzielle Bedeutung der Zuschauer nahm immer weiter ab.
Trotzdem bleiben die Fußballaktien risikoreich. So schwanken die an der Berliner Börse gehandelten sechs britischen Papiere ganz erheblich: Der notorische Vizemeister Celtic Glasgow pendelte zwischen 850 und 1.100 Punkten hin und her, während der Manchester-Kurs an der Belriner Börse in diesem Jahr um ein Drittel fiel und stieg. Nur sechs der zwanzig Vereine in der englischen Premier League wiesen in der abgelaufenen Saison einen Gewinn nach Steuern aus! Die Kurse von Sheffield oder Sunderland rutschten inzwischen sogar unter den Ausgabekurs.
Der unreglementierte Fußballmarkt hat auch ganz neue Überraschungen parat: Derzeit kauft sich Joe Lewis, der reichste Mann Großbritanniens, in einen Klub nach dem anderen ein. Ihm gehören Anteile an Schottlands Rekordmeister Glasgow Rangers und am italienischen Pokalsieger Vicenza. Und bei AEK Athen und AC Turin steht er kurz davor – da wird er bei europäischen Wettbewerben bald ein Wörtchen mitzureden haben. H. Pfeiffer
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