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NachrufDick Cheney, unbehelligter Kriegsverbrecher

Er war der mächtigste Strippenzieher im Amt des US-Vizepräsidenten. Jetzt ist der Verantwortliche für CIA-Folter, Guantánamo und Irakkrieg gestorben.

Dick Cheney, U.S.-Vizepräsident, am 4. Januar 2005 in Washington Foto: Olivier Douliery/ABACA/imago
Bernd Pickert

Von

Bernd Pickert aus Berlin

Eigentlich hätte Richard Bruce („Dick“) Cheney als Kriegsverbrecher angeklagt und verurteilt werden müssen. Jetzt ist der ehemalige Vizepräsident von George W. Bush im Alter von 84 Jahren in Freiheit gestorben.

Cheney, 1941 in Nebraska geboren, war ein konservativer Karrierepolitiker. Nach einem politikwissenschaftlichen Studium in Yale machte er in Washington seinen Weg – von Praktika bei republikanischen Kongressabgeordneten über Beraterposten in der Regierung von Richard Nixon und dem Posten des Stabschefs unter Gerald Ford bis hin zum Verteidigungsminister unter George H. W. Bush.

Obwohl Cheney selbst nie beim Militär war, galt er stets als Hardliner. Er war es, der den US-Militäreinsatz 1991 zu verantworten hatte, mit dem die USA die irakischen Truppen aus Kuwait zurückdrängten, nicht ohne ausgiebig Bagdad zu bombardieren. Auch die Lügenkampagne über von den Irakern aus Brutkästen herausgerissene Föten dürfte über Cheneys Schreibtisch gegangen sein.

Während Bill Clintons Präsidentschaft (1993 bis 2001) zog sich Cheney in die Privatwirtschaft zurück und wurde Manager bei Halliburton, eines der Riesen im Ölgeschäft. Nicht zuletzt deshalb wurde ihm ein besonderes Interesse am ölreichen Irak nachgesagt. 1997 war Cheney einer der Unterzeichner des Gründungsdokumentes des „Project for a New American Century“ – quasi die Grundsatzerklärung der Neocons, die einen Regime Change im Irak und eine massive Steigerung der US-Militärausgaben zum Ziel hatten.

Aufstieg und Fall der Neocons

Bei den Wahlen 2000 trat Cheney als Vizepräsidentschaftskandidat von George W. Bush an, dem Sohn seines früheren Bosses im Weißen Haus. Nach dem Wahldesaster in Florida, als dessen Ergebnis Bush vom Obersten Gerichtshof mit einem Vorsprung von 537 Stimmen zum Sieger erklärt wurde, zog Cheney im Januar 2001 als mächtigster strippenziehender Vizepräsident aller Zeiten nach Washington – und platzierte seine neokonservativen Kumpane in den außen- und sicherheitspolitischen Schaltstellen der Regierung.

Nach den Anschlägen des 11. September 2001 setzte Cheney um, was sich die Neocons vorgenommen hatten. „Krieg gegen den Terror“, geheime CIA-Gefängnisse, massive Folter von Gefangenen, Guantánamo und die völkerrechtswidrige, mit der Lüge von angeblichen Massenvernichtungswaffen begründete Invasion im Irak mit all ihren Kriegsverbrechen und der Folge Hunderttausender getöteter Zi­vi­lis­t*in­nen gehen auf das Konto von Cheney und seinen Leuten.

Aber alle Versuche, Cheney, Bush und den damaligen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld als Kriegsverbrecher strafrechtlich zu belangen, schlugen fehl.

Nach dem Ende von Bushs Amtszeit 2009 stieg Cheney aus der Politik aus. Nicht so allerdings seine älteste Tocher Liz, die 2016 als Abgeordnete Wyomings ins Repräsentantenhaus gewählt wurde.

Mit den katastrophalen Kriegen in Afghanistan und Irak war der Stern der Neocons längst erloschen. Mit der Übernahme der Republikanischen Partei durch Donald Trump war für sie auch dort kein Platz mehr. Liz Cheney wurde zu einer der wenigen, die aus den eigenen Reihen heraus Trump kritisierte und sich 2021 dem zweiten Amtsenthebungsverfahren anschloss. Bei den nächsten Wahlen war sie raus.

Auch Dick Cheney hat aus seiner Verachtung für Trump nie einen Hehl gemacht. Im vergangenen Jahr rief er genau wie seine Tochter zur Wahl von Kamala Harris auf – was wiederum progressive Kräfte schockierte.

Herzprobleme haben Cheney sein ganzes Leben begleitet, 2012 unterzog er sich einer Herztransplantation. Jetzt ist er an Gefäßerkrankungen in Verbindung mit einer Lungenentzündung gestorben.

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1 Kommentar

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  • Schlechte Überschrift!



    Mal wieder!



    Grundsätzlich ist der Bericht sehr interessant.



    Moralische Grundsätze empfinden Viele ja als nicht mehr zeitgemäß - seltsam, dass parallel dazu permanent moralisiert wird.



    "Über die Toten nur Gutes", ist so ein Grundsatz.



    Dick Chaney ist tot, wäre eine adäquate Überschrift gewesen.



    Hierzulande ist man/frau übrigens eines Verbrechens verdächtig, bis man/ frau verurteilt wird.



    Das könnte so auch in einem Artikel stehen.



    Viele der obigen Vorwürfe sind bekannt, als Kriegsverbrecher wurde Chaney aber nicht verurteilt, daher ist er auch nicht so zu titulieren.



    Es wird ja viel Respekt eingefordert, manchmal, spätestens im Tod, sollte der auch gezollt werden.