Misstrauensvotum über Finnlands Regierung: Trotz Rassismusskandal geht's weiter
Die Mitte-Rechtsregierung hat drei Misstrauensvoten überstanden. Die Vier-Parteien-Koalition von Petteri Orpo kann erstmal weiter machen.
Die Voten scheiterten letztendlich, weil die Abgeordneten der Regierungsparteien mit der Ausnahme einer Enthaltung geschlossen für ein fortgesetztes Vertrauen stimmten und von den vier Oppositionsparteien lediglich die ParlamentarierInnen von drei Parteien – Sozialdemokraten, Linkspartei und Grüne – gegen die Regierung beziehungsweise Purra und Rydman votierten, während sich die des rechtsliberalen Zentrums lediglich der Stimme enthielten.
Antti Kurvinen, Fraktionsvorsitzender der Zentrumspartei, begründete dieses Votum mit dem Inhalt eines am Mittwoch von der Regierung präsentierten Statements, in dem nun alle Kabinettsmitglieder versprochen haben, sich in Zukunft für Gleichstellung und Nichtdiskriminierung einzusetzen, und in dem es heißt: „Es ist kein Raum für Rassismus in Finnland.“
Die übrigen Oppositionsparteien hielten eine solche bloße Absichtserklärung für unzureichend und unglaubwürdig, vor allem auch deshalb, weil die Wahre Finnen-Vorsitzende Purra gleichzeitig erklärt hatte, dass sich die Politik ihrer Partei auch in Zukunft nicht ändern werde.
Finnlands Ruf im Ausland sei schlechter
Kurvinen machte allerdings klar, die Stimmenthaltung sei eine „Warnung“. Die Frage des Vertrauens in diese Regierung werde sich für seine Partei neu stellen, sollte es erneut „Flirts mit Rassismus“ geben: Finnlands Ruf im Ausland habe sich bereits jetzt stark verschlechtert, betonte er.
Ähnlich äußerten sich auch Abgeordnete der Schwedischen Volkspartei, die der Regierung angehören und in deren Reihen es bis zuletzt Stimmen gegeben hatte, die Koalition nicht fortzusetzen. Unter ausdrücklichem Hinweis auf die Fraktionsdisziplin machten Partei- und Fraktionsführung allen ParlamentarierInnen zuletzt deutlich, dass es für eine Regierungspartei kein abweichendes Abstimmungsverhalten geben dürfe.
Davon ließ sich die Partei auch nicht mehr abbringen, nachdem ausgerechnet in der Debatte über das Rassismus-Regierungsstatement am Mittwoch ein Abgeordneter der Wahren Finnen demonstrativ das N-Wort benutzt hatte und ein anderer Migranten als „Experten für Bandengewalt und Terrorismus“ bezeichnete.
Auf Medienfragen, wie die Schwedische Volkspartei denn damit umgehe, wenn Abgeordnete der Regierung, der man selbst angehöre, sich im Reichstag so rassistisch äußerten, sagte der Fraktionsvorsitzende Otto Andersson lediglich: Solche Wortwahl halte er „für sehr unpassend“. Konsequenzen für die Haltung der Schwedischen Volkspartei habe das aber nicht.
Die Wahre Finnen-Vorsitzende Purra erklärte demgegenüber, sie halte solchen Sprachgebrauch für unproblematisch. „Damit ist das letzte Fitzelchen an Glaubwürdigkeit gleich wieder verschwunden“, twitterte die sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Pinja Perholehto.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?