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Missbrauchsstudie im Bistum TrierVersäumnisse bei Bischof Marx

Ein Zwischenbericht zu Missbrauch im Bistum Trier listet Versäumnisse in den Amtszeiten der Bischöfe Ackermann und Marx auf. Letzterer räumt Versäumnisse ein.

Sie ließen ihn gewähren, und wie sehr die Kirche damit versagt, wird langam, Stück für Stück, klar Bild: Christof Stache/AP Photo

epd | Ein Gutachten hat bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen im Bistum Trier auch Versäumnisse des früheren Trierer Bischofs und heutigen Münchner Erzbischofs Kardinal Reinhard Marx festgestellt. Für Marx' Amtszeit von 2002 bis 2008 monieren die Forscher in dem am Donnerstag in Trier vorgestellten Bericht eine mangelnde Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden bei Fällen sexualisierter Gewalt, eine „pastorale Milde“ im Umgang mit Tätern aus der Kirche und eine wenig ausgeprägte Betroffenenfürsorge.

Die Staatsanwaltschaft sei in Marx' Amtszeit in keinem einzigen „Neufall“ vom Bistum informiert worden. Nur in zwei dokumentierten Fällen sei Betroffenen konkrete Hilfe angeboten worden. In vier von zwölf Fällen sexualisierter Gewalt hätten die Meldungen keine Konsequenzen für die Beschuldigten gehabt, heißt es in dem dritten Zwischenbericht des Forschungsprojekts zum sexuellen Missbrauch im Bistum Trier von 1946 bis 2021.

„Deutlich wird in erster Linie, dass es lange Zeit kein schematisches Vorgehen, sondern eine Einzelfallprüfung gegeben hat, die zu einem nicht selten nachsichtigen Umgang mit den Beschuldigten führte“, erläuterte die Historikerin Lena Haase bei der Vorstellung der Studie. In einem Lernprozess innerhalb des Bistums sei aber nach und nach erkannt worden, dass die Missbrauchsfälle keine Einzelfälle gewesen seien, sondern struktureller Natur.

Marx räumt Versäumnisse ein

Marx erklärte in München, als Bischof sei er damals nicht ausreichend sensibel und aktiv auf Betroffene zugegangen. Ihm sei aber nicht erinnerlich, dass ihn Betroffene während seiner Trierer Amtszeit um ein persönliches Gespräch gebeten hätten. „Mit dem Wissen von heute würde ich natürlich manches anders machen, und wir handeln ja auch heute anders“, sagte er mit Blick auf den Umgang und die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche.

Der Untersuchungszeitraum des Zwischenberichts von 2002 bis 2021 umfasst große Teile der Amtszeit des Trierer Bischofs Stephan Ackermann (seit 2009) und Marx' Amtszeit (2002-2008), der von 2014 bis 2020 auch Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz war. Für 2002 bis 2021 ermittelten die Forscher der Universität Trier 59 von Missbrauch betroffene Minderjährige und schutzbefohlene Erwachsene sowie 37 Beschuldigte.

Ackermann war von 2010 bis 2022 Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz. Für seine Amtszeit in Trier bescheinigen die Historiker deutliche Verbesserungen sowohl bei der internen Aufklärung als auch bei der Meldung an Strafverfolgungsbehörden sowie bei Sanktionen für die Täter. Allerdings habe es eine unzureichende Kommunikation und Transparenz und eine weiterhin problematische Personalpolitik gegeben.

Längst nicht abgeschlossen

Ackermann erklärte, der Bericht nehme das Bistum erneut in die Pflicht, noch stärker betroffenenorientiert zu handeln. Die Aufarbeitung sei „längst nicht abgeschlossen“. Beispielsweise seien nicht alle ermittelten Betroffenen aus seiner Amtszeit den Verantwortlichen im Bistum bekannt. Ackermann ermutigte diese Betroffene, sich beim Bistum zu melden.

Die 2022 gestartete Untersuchung basiert den Angaben zufolge auf 1.279 ausgewerteten Aktenbänden und 30 Gesprächen mit Betroffenen sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen – darunter auch Marx und Ackermann. Bislang wurden etwa 250 Beschuldigte identifiziert. Etwa 730 Betroffene sind bislang bekannt.

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