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Missbrauchsfälle im FeriencampFührungszeugnis für Betreuer

Politiker von Union und SPD fordern, ein Führungszeugnis für Jugendbetreuer einzuführen. Der SPD-Politiker Schwarz kritisiert Kürzungen bei Bildungsstätten.

Qualifiziert offenbar nicht zum Umgang mit Kindern: Die Jugendleiterkarte. Bild: dpa

HAMBURG/ Osnabrück dpa/afp | Nach den Misshandlungen von Jugendlichen während einer Ferienfreizeit auf der Nordseeinsel Ameland haben Familien- und Jugendpolitiker eine bessere Überprüfung und Ausbildung von Betreuern gefordert. SPD und Linke werfen im Landtag der Landesregierung in Niedersachsen schwere Versäumnisse vor. Vize-Fraktionschef Uwe Schwarz kritisierte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung", dass sich die CDU/FDP-Regierung aus der Fort- und Weiterbildung von Jugendleitern fast komplett zurückgezogen habe. Das Land lasse die Verbände bei der Finanzierung allein, betonte Schwarz, der auf eine Kürzung der Fördermittel für Bildungsstätten seit 2003 verwies. Um die Prävention zu verbessern, forerten sowohl Schwarz als auch der CDU-Jugendpolitiker Peter Tauber ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis für ehrenamtliche Betreuer in der Jugendarbeit. Tauber sprach sich in der Bild -Zeitung vom Freitag dabei auch für ein neues Kinderschutzgesetz aus. Die SPD-Familienpolitikerin Caren Marks sagte, die Fälle machten deutlich, "wie wichtig eine gute Präventionsarbeit und eine gute Ausbildung der Betreuerinnen und Betreuer sind". Hier sei noch einiges zu verbessern.

Die Übergriffe während einer Freizeit des Stadtsportbunds Osnabrück hatten sich in einem Schlafsaal des Ferienheims ereignet, in dem rund 40 Kinder und Jugendliche untergebracht waren. Mehrere Jugendliche hätten ihre Opfer dabei abends und nachts mit Colaflaschen und anderen Gegenständen traktiert. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt nun wegen Vergewaltigung und schweren sexuellen Kindesmissbrauchs. Die Ermittler gehen auch der Frage nach, ob Betreuern Vorwürfe gemacht werden können. Nach Presseberichten soll es Hinweise darauf geben, dass Betreuer schon vor Ort von dem Missbrauch erfuhren, aber nicht reagierten.

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8 Kommentare

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  • G
    gelderlander

    Wie bitte? Was hat denn bitte die Betreuer damit zu tun? Haben die die Kinder vergewaltigt oder waren das Jugendliche?

  • N
    njorgorg

    Das ist wahrlich ein schwieriges Thema. Klar erkennbar wird hier, was für eine Sauerei es ist, dass die Mittel für Jugend- und Bildungsarbeit immer mehr gekürzt werden. Jetzt musste erst so etwas passieren, damit das auch die Letzten erkennen.

    Aber nein, es wird ja gar nicht so sehr mehr Geld für Jugendarbeit gefordert, sondern schärfere Kontrollen.

    Mal ehrlich - welcher 16-jährige hat Bock sich ehrenamtlich zu engagieren, wenn er dafür ein Polizeiliches Führungszeugnis braucht? Damit schiebt man der ehrenamtlichen/politischen Aktivität von Jugendlichen und deren Persönlichkeitsentwicklung einen weiteren Riegel vor.

    Wenn schon Kontrolle, dann an den richtigen Stellen. Gruppenleiterkurse sollten gewissen Standarts entsprechen, Veranstaltungen müssen ein ausgereiftes Konzept vorweisen können und Institutionen müssen sich verpflichten sexuelle/verbale/körperliche Gewaltfreiheit auf ihren Veranstaltungen zu gewährleisten.

    Das alles passiert vielerorts (teils schon seit langer Zeit), an anderen Stellen fehlt es oft an Personal und Know-how - das ließe sich beides mit mehr Geld bewerkstelligen.

     

    Ganz abgesehen davon stellt sich mal wieder die Frage, ob man hier nicht womöglich blind einen Sündenbock sucht. Natürlich kann gute Aufsicht Schäden verhindern, aber wenn Menschen einfach mal scheiße drauf sind und scheiße anstellen wollen, dann ist es keine Kunst, sich nicht erwischen zu lassen. Schockierend ist doch vor allem, dass Jugendliche von sich aus so etwas tun - wie sie dazu kommen müsste in erster Linie geklärt werden.

  • W
    wauz

    Irgendwo in diesem ganzen Wust von wilden Nachrichten und Kommentaren war in einem Nebensatz davon die Rede, dass die Jungs, die hier Scheiße gebaut haben, auf diese Freizeit garnicht fahren sollten, weil sie zu alt dafür waren. Frust, Langeweile und eine inkompatible Altersmischung haben in dieser Retortensituation die Dinge hochkochen lassen. Bevor man jetzt auf den jugendlichen Betreuern herumhackt und wieder 1000 "Konsequenzen" fordert, sollte man einfach mal bemerken, dass hier die Organisatoren einen Fehler gemacht haben. Einen relativ einfachen Fehler, den man in Zukunft auch einfach verhindern kann: man muss Konzepte auch durchhalten.

    Darüber hinaus sollte man sich daran erinnern, dass verunglückte Ferienfreizeiten und Klassenfahrten immer mal wieder vorkommen. Es muss nicht jedes Mal gleich der Gesetzgeber tätig werden.

  • F
    Führungszeugnis

    Und was soll der Inhalt des Führungszeugnisses über den Menschen aussagen? Damit werden Menschen stigmatisiert, die sich vielleicht auch einfach nur engagieren wollen.

     

    Außerdem ist es eine Unverschämtheit, was ein Führungszeugnis kostet!

  • F
    Führungszeugnis

    Als wenn ein Führungszeugnis ausschließt, dass es wieder zu Missbrauch o.ä. kommt! Blanke Theorie, die die hilflosen Gemüter beruhigen soll.

  • EF
    El Fanti

    ich hab die nase voll von diesen besserwisserischen politikern, die nach einem problem berge versetzen wollen, statt vor den problemen zu überlegen, wie man um den berg herum kommt.

    ich habe so eine jugendleitercard nicht. und ich behaupte, dass ich sie auch nicht brauche, um gute jugendarbeit zu machen. ich kenne eine menge (junge) leute, denen die arbeit mit kindern und jugendlichen spaß macht, die ihren jahresurlaub für pfadfinderlager "opfern". denen macht das soviel spaß, dass sie sogar so ein bescheuertes führungszeugnis besorgen würden, damit sie die arbeit machen dürfen.

    Ich fühle mich beleidigt, da nun die medien (allen voran der deutschlandfunk) und politiker (allen voran oben genannte) auf dieser jugendleitercard herumhacken und unbedingt betonen müssen, dass soundsoviel der betreuer auf jener amelandfahrt nicht im besitz so einer karte waren. scheinbar waren einige der betreuer dort im besitz so einer karte und trotzdem ist es zu diesem zwischenfall gekommen. das sagt doch schon alles. die ausbildung, die man zum erwerb dieser karte bekommt ist sicherlich gut und wertvoll. aber wenn derjenige betreuer sie nicht umsetzt, dann bringt die karte auch nichts. genauso wenig hätte ein führungszeugnis in dieser geschichte genützt.

    einzig wichtig ist, dass sich eltern (bzw. erziehungsberechtigte) gut informieren, wem sie ihre kinder anvertrauen. das ist die einzige realistische möglichkeit solche "ameland-fälle" zu vermeiden.

     

    ...ignoranten...

  • M
    Matthias

    Polizeiliches Führungszeugnis wenn ich eine Jugendgruppe leite? Statt ehrenamtliches Engagement zu unterstützen wollen unsere politischen Eliten offenbar noch zusätzliche, ärgerliche, bürokratische Hindernisse aufstellen. Als ob ich sonst nichts zu tun hätte aös mich um solch einen Scheiß zu kümmern. So etwas nennt man entweder Sommerloch oder Aktionismus.

  • C
    Christian

    Erweitertes Führungszeugnis für ehrenamtlich Aktive?

     

    Schade, dass solche Vorschläge publiziert werden, bevor man sich erst mal mit den Fakten beschäftigt. Ich bin seit Jahren in der Ausbildung von ehrenamtlichen Jugendleitern tätig und halte aus dieser Sicht den Vorschlag für vollkommen unsinnig. Zum einen ist für die Ausbildung das Thema "Prävention von sexuellem Missbrauch" bereits verankert und wird von den Jugendverbänden ernst genommen. Zum anderen gibt es ein erweitertes Führungszeugnis (meines Wissens) erst ab 18 - die Täter im aktuellen Fall und viele Jugendleiter sind aber jünger. Ganz abgesehen davon, dass nur dann etwas drin stehen würde, wenn die Leute schon aufgefallen sind.

    Ein erweitertes Führungszeugnis bringt aber nicht nur keinen Vorteil, sondern schadet auch. Viele Jugendlichen würden sich davon abschrecken lassen, sich als Leitung zu engagieren. Wer trägt außerdem die Kosten? Die Ehrenamtlichen?

     

    Eine gute Ausbildung der Jugendleiter ist ein entscheidender Punkt. Dafür sollte Geld investiert werden, nicht für unsinnige Vorschriften.