Missbrauch an Jesuiten-Schulen: Zehn Schläge auf den Po
Im Skandal um Übergriffe am Canisius-Kolleg in Berlin und an anderen schulischen Einrichtungen der Jesuiten berichten Exschüler von Züchtigungen. Der Orden verspricht Aufklärung.
Der ranghöchste Jesuit in Deutschland, Pater Stefan Dartmann, zitiert aus einer Mail, die ihm in diesen Tagen ein Opfer zugesandt hat: "Selbst wenn wir uns damals an die Öffentlichkeit gewandt hätten, hätte uns keiner geglaubt", habe ihm dieser Mann geschrieben. Das habe ihn zutiefst erschüttert, erzählt Dartmann und versichert: Als Provinzial der Jesuiten werde er nichts verdunkeln. "Wir glauben euch".
Im Missbrauchsskandal am Elitegymnasium Canisius-Kolleg in Berlin und zwei weiteren Jesuiten-Schulen durch die ehemaligen Lehrer Wolfgang S. und Peter R. melden sich nun Opfer und andere ehemalige Schüler zu Wort - und zeichnen von Wolfgang S. ein vielschichtiges Bild. "Dieser Mensch ist nicht eindimensional im Sinne eines Täters", berichtet ein ehemaliger Schüler des Paters der taz. "Meine Freunde und ich waren immer sehr fasziniert von diesem Mann, weil er im Vergleich zu den meisten anderen Jesuiten sehr fortschrittlich dachte."
Eines der Opfer, das inzwischen 45 Jahre alt ist, berichtet hingegen dem Boulevardblatt B.Z. von Züchtigungen. Er nannte den Sportlehrer zwar einen sympathischen Kerl. Doch als er einmal im Unterricht gestört hatte und ihm ein Schulverweis drohte, habe ihm Wolfgang S. eine "züchtigende Maßnahme" vorgeschlagen. Daraufhin habe er sich mit heruntergezogener Hose über das Bein des Lehrers legen müssen. Zehn Schläge auf den nackten Po habe er bekommen. "Dass es sich um sexuellen Missbrauch handelte, da wäre ich damals im Leben nicht darauf gekommen", zitiert das Blatt das Opfer.
Allein an der Berliner Jesuitenschule sind inzwischen 20 Opfer bekannt, die ab 1975 von diesen zwei Lehrern sexuell misshandelt wurden. Sportlehrer Wolfgang S. wird außerdem bezichtigt, zwischen 1979 bis 1982 drei Schüler in Hamburg und zwei Schüler am Jesuiten-Kolleg in St. Blasien im Schwarzwald sexuell belästigt zu haben. Erst 1992 hat er nach Angaben des Ordensführers Dartmann die Jesuiten verlassen. In einem Fragebogen soll Wolfgang S. weitere Missbräuche auch in Spanien und Chile eingeräumt haben, wo er seit den 90er-Jahren lebt.
Der andere mutmaßliche Täter Peter R. sei bis 1981 am Berliner Kolleg als Religionslehrer und in der Jugendarbeit tätig gewesen. Von 1982 bis 1989 arbeitete er laut Akten in der überpfarreilichen Jugendarbeit in Göttingen. Nachdem es bei der Ordensspitze Hinweise auf Übergriffe auf ein Mädchen gegeben habe, habe ihn die Diözese Hildesheim eingestellt. Auch da soll es zu Übergriffen gekommen sein. Hinweise auf Vergewaltigung gebe es laut Dartmann in den Akten nicht. Der Charakter seiner Verfehlungen habe in sexuellen Berührungen und Selbstbefriedigung bestanden. Dartmann bestätigte, dass 1982 ein Mordanschlag auf Peter R. verübt worden ist, bei dem er leicht verletzt wurde. Ob es sich dabei um einen ehemaligen Schüler handelte, konnte der Ordensführer nicht beantworten. Peter R. lebt heute in Berlin und bestreitet alle Vorwürfe. Sämtliche Ermittlungen hat eine unabhängige Rechtsanwältin für den Orden übernommen. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Über Wolfgang S. berichtet der ehemalige Schüler der taz: "Dieser Mann kannte offenbar seine Grenzen nicht beziehungsweise hat sie wissentlich und strafbar übertreten. Insofern ist er für mich eine tragische Gestalt. Ich weiß, dass er seit vielen Jahren in Psychotherapie ist, nur war mir der wahre Grund nicht bekannt."
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