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Miriam Lauch über Abschiebungen„Sie fühlten sich wie im Krieg“

Weil die Polizei erstmals Abschiebungen mit Gewalt durchgesetzt hat, sind Osnabrücker Aktivisten verunsichert. Die Blockaden wollen sie aber fortführen

Die Polizei setzt Abschiebungen durch – in Osnabrück auch mit Gewalt Foto: Sebastian Willnow/dpa
André Zuschlag
Interview von André Zuschlag

taz: Frau Lauch, wie ist die Stimmung in der Flüchtlingsunterkunft, nachdem die Polizei gewaltsam eine Abschiebung durchgesetzt hat?

Miriam Lauch: Da herrscht ein großes Ohnmachtsgefühl. Viele haben Angst, denn die Situation war martialisch. Die Polizei rückte mitten in der Nacht an. Ein Bewohner sagte hinterher, er habe sich wie im Krieg gefühlt, und sie würden wie Tiere behandelt.

Und unter den AbschiebungsgegnerInnen?

Auch für uns war diese Eskalation seitens der Polizei ein großer Schock. Einerseits fühlen wir uns ein Stück weit eingeschüchtert. Die Abschiebungen richten sich gegen alles, wofür die sogenannte „Friedensstadt“ steht. Aber innerhalb der Gruppe herrscht eine große Solidarität, und wir wollen weiterhin Abschiebungen verhindern.

Protest in Osnabrück

Anfang Januar setzte die Polizei in einer zentralen Unterkunft in Osnabrück die Abschiebung zweier Geflüchteter trotz Protesten durch – erstmals gewaltsam mithilfe von Pfefferspray, wodurch es zwei Verletzte gab.

Laut Dublin-Regelung wurden die beiden in ihr europäisches Erstaufnahmeland abgeschoben. Nur etwa fünf Prozent solcher Abschiebungen würden tatsächlich vollzogen, so der niedersächsische Flüchtlingsrat. „Auch vor diesem Hintergrund erscheint der Polizeieinsatz völlig überzogen.“

Den Protest in Osnabrück organisieren die Gruppe „NoLager“ und das „Bündnis gegen Abschiebungen“.

Im Interview: Miriam Lauch

28, ist Sprecherin der Gruppe „NoLager“, die seit Jahren den Protest gegen Abschiebungen in Osnabrück organisiert.

Es gibt einerseits Abschiebungen in die Herkunftsländer der Personen, aber auch innerhalb Europas aufgrund des Dublin- III-Abkommens. Sie sind gegen beide Formen der Abschiebung. Was spricht gegen Letztere?

Den Leuten, die etwa nach Italien abgeschoben werden, weil sie da zuerst europäischen Boden betreten haben, droht dort Obdachlosigkeit. Wir wollen, dass die Geflüchteten hier in Deutschland die Möglichkeit bekommen, einen Asylantrag zu stellen.

Was passiert, wenn Sie von einer Abschiebung erfahren?

Es gibt eine Telefonkette, in die man sich eintragen kann. Wenn jemand aus einer Unterkunft Bescheid gibt, dass gerade eine Abschiebung vollzogen wird, versuchen wir, schnellstmöglich viele Menschen anzurufen und zu mobilisieren. Bisher konnten wir dadurch immerhin 37 Abschiebungen verhindern.

Wer gehört zu den aktiven AbschiebungsgegnerInnen?

Das ist ziemlich bunt gemischt. Viele jüngere Leute – Studierende, Azubis, SchülerInnen. Aber auch ältere Menschen, die zur Blockade dann ihre Klapphocker mitbringen. Vor allem sind es aber auch Geflüchtete selber, die solidarisch untereinander sind und sich organisieren.

Kommt von der Kirche auch Unterstützung?

Es gibt Leute, die auch in kirchennahen Gruppen aktiv sind. Aber als Institution kommt von der Kirche wenig.

Seit Mitte 2015 werden Abschiebungen nicht mehr angekündigt. Wie sind sie seitdem überhaupt noch zu blockieren?

Davor konnten wir noch zwei, drei Tage zur Blockade mobilisieren. Jetzt, wenn die Abschiebung sogar mitten in der Nacht vollzogen wird, ist das schwierig. Wir bekommen häufig erst hinterher mit, dass Leute abgeschoben wurden.

Gab es innerhalb der Gruppe Diskussionen über die Mittel der Abschiebungsblockaden?

Es gibt den Konsens, dass alles gewaltfrei abläuft. Wir wollen auf die Gewalt des Staates nicht mit Gegengewalt antworten. Wir wollen offen für alle Menschen in Osnabrück sein und die von Abschiebung Bedrohten friedlich unterstützen. Um deeskalierend zu wirken, kann man dann bei Blockaden nicht rumpöbeln. Das ist sicherlich auch ein Grund, warum sich viele einbringen.

Erfahren Sie innerhalb der Stadt Kritik für Ihre Aktionen?

Naja, die kommt immer nur auf, wenn eine Abschiebung publik wird. Die CDU hat nun das Verhalten der Polizei verteidigt. Das ist natürlich erschütternd, wenn eine christliche Partei Gewalt befürwortet. Auch von anderen Institutionen, etwa der Kirche, kommt offiziell wenig Unterstützung.

Bisher zeigte sogar die Osnabrücker Polizei Sympathie für Abschiebeblockaden. Jetzt wurde Pfefferspray eingesetzt, und es gab Verletzte. Wie geht es jetzt weiter?

Wenn wir vor Ort waren, hat sich die Polizei zurückgehalten. Wir wissen aber von vielen Geflüchteten, dass sie sich, vorsichtig gesagt, anders verhält, wenn keine Protestierenden da sind. Wir fragen uns jetzt, wie wir Leute mobilisieren können, wenn sie damit rechnen müssen, Polizeigewalt zu erfahren. Das ist verständlicherweise abschreckend. Gleichzeitig haben sich in den vergangenen Tagen sehr viele Leute neu in die Telefonkette eingetragen.

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5 Kommentare

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  • Das mit den Aktivitisten ist ja wie bei Pippi Langstrumpf. Widewitt ich mach mir die Rechtslage wie sie mir gefällt. Nein die demokratische Mehrheit und die Gesetze die gefallen mir nicht. Und zahlen will ich auch nicht die Flüchtlinge werden doch vom Steuerzahler bezahlt.

  • Und das wird ja erst der Anfang sein, künftig werden viele Gemeinden in Norddeutschland solche Szenen erleben und für die Menschen wird es extrem demütigend, ein Land auf diese Weise verlassen zu müssen. Aber einer reicht eben aus und fast alle Parteien stimmen in den Rap ein, es gebe zu viele Menschen hier, die hier nicht her gehörten und die sollten nun weg, so schnell wie es geht und zwar in ihre 'sichere' Heimat. Ich glaube, dass nicht diese Stadt einen gewaltigen Fehler macht. 1. Die Flüchtlinge werden nicht verschwinden. 2. Die Polizei wird stark mit solchen Sachen belastet, die Flüchtlinge werden geradezu kriminalisiert und zur Schau gestellt. 3. NPD und Rechtsextreme erhalten doch eigentlich eine Bestätigung für ihre Ideen und Forderungen, wenn der Staat so darauf eingeht.

    4. Ginge es nicht anders? Ich glaube es ginge anders, aber es soll so ablaufen, weil das die AfD und sonstwen nach Vorstellungen von SPD und Union auf Distanz hält, ja und zwar bis zur nächsten Wahl, da fliegt es dann allen um die Ohren.

    5. Deutschland startet gerade ziemlich lachhafte Aktionen in der Außenpolitik, um dafür zu sorgen, dass niemand mehr herkommt. Und sie werden doch kommen. Dazu müsste man nämlich in LIbyen eine Regierung installieren, die Flüchtlinge mit großer Härte daran hindert, nach Europa zu gelangen.

  • Es klingt ein wenig so, als wäre die Polizei ohne Rechtsgrundlage und Ankündigung über Flüchtlinge hergefallen. Wurde die Abschiebung nicht angekündigt? Konnte kein Rechtsweg beschritten werden? Das kommt mir alles ein bisschen merkwürdig vor - eine spontane, willkürliche Abschiebung wäre tatsächlich ein Rechtsbruch.

  • Zitat: "Wir fragen uns jetzt, wie wir Leute mobilisieren können, wenn sie damit rechnen müssen, Polizeigewalt zu erfahren. Das ist verständlicherweise abschreckend."

     

    Genau das will die Polizeiführung erreichen, wenn sie den Polizisten an der Basis den Befehl zum Gewalteinsatz gibt oder den Gewalteinsatz zumindest toleriert.

     

    Die Polizeiführung handelt im Auftrag von Leute, die sich dafür bezahlen lassen, dass sie eine verfehlte Politik verfolgen. Dass das so ist, erkennt man unschwer daran, dass Gewalt eingesetzt werden muss. Der Polizei ist die Moral egal. Sie ist drauf konditioniert, Befehle auszuführen, nicht darauf, drüber nachzudenken.

     

    Die Osnabrücker Aktivisten haben "immerhin 37 Abschiebungen verhindert" bisher. Sie stören also beim Befehl-Erfüllen – und sollen weg. Das geht mit Abschreckung ganz gut. Weil: Die Moral im "Westen" ist eher eine für den Schönwetterfall (geworden in den vergangenen Jahrzehnten). Es war ja selten schlechtes Wetter hier.

     

    Wenn sich "in den vergangenen Tagen sehr viele Leute neu in die Telefonkette eingetragen [haben]", ist also Vorsicht geboten. Nicht jeder, der sich nicht abschrecken lässt, ist Pazifist. Gut möglich, dass das Verhalten der Polizei auch Leute anlockt, die noch "ein Hühnchen rupfen wollen".

     

    Würden solche Leute Teil der Aktionen, würde das die Machtverhältnisse verkehren. Die Polizei würde sich dann als moralischer Sieger fühlen, weil sie ihrer Aufgabe, Gewalt zu verhindern, zur Abwechslung mal wieder nachkommen könnte. Notfalls gewaltsam, denn sie ist ja schließlich Teil der Staatsmacht und hat ein Gewaltmonopol.

     

    Wenn es so weit kommt, bricht das der Aktion das Genick. Dann verliert sie die Sympathie der Teile der Bevölkerung, die auf Moral konditioniert sind, nicht aufs Gehorchen. Lieber sollte man die ein oder andere Abschiebungen weniger verhindern, die Aktionen dafür aber wirksamer "in Szene setzen", finde ich.

    • @mowgli:

      Die Polizei ist vor allem darauf konditioniert, Gesetze zu vollziehen. Und diese Gesetze sind von demokratisch gewählten Vertretungen erlassen worden. Man kann auf dem gleichen Weg sie wieder ändern. Das wäre effektiver als das Beklagen von Gewalt der Polizei, die eigentlich nur das tut, was die Bevölkerung von ihr erwartet: Gesetze durchsetzen.

       

      Übrigens bekommt jeder vor der Abschiebung per Brief eine Aufforderung zu Ausreise. Auf diese Weise erspart man sich die unangenehme Erfahrung der Abschiebung.