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Ministerpräsident Rutte weit vor WildersNiederlande bleiben proeuropäisch

Die liberale VVD geht als Sieger aus der Parlamentswahl in den Niederlanden hervor. Die Rechtspopulisten um Geert Wilders kommen wohl nur auf 20 Sitze.

Im Fokus der Wähler: Ministerpräsident Mark Rutter statt Rechtspopulist Geert Wilders Foto: ap

Den Haag dpa/ap | Die Niederlande bleiben auf Pro-Europa-Kurs: Die rechtsliberale Partei von Ministerpräsident Mark Rutte hat bei der Parlamentswahl am Mittwoch den rechtspopulistischen Herausforderer Geert Wilders klar abgewehrt. Nach Hochrechnungen vom frühen Donnerstagmorgen deutete alles auf eine neue Regierung unter Ruttes Führung hin.

Auf Grundlage von 95 Prozent der Stimmen ergibt sich folgendes Bild: Ruttes rechtsliberale Partei VDD liegt mit 21,3 Prozent klar vorn. Danach folgt Wilders Partei PVV mit 13,1 Prozent. Auf dem dritten Platz liegen mit 12,4 Prozent die Christdemokraten (CDA). Knapp dahinter kommen die linksliberalen D66 mit 12,1 Prozent sowie die Sozialisten (SP) mit 9,1 Prozent und GroenLinks mit 9,0 Prozent. Die ChristenUnion (CU) lag zuletzt bei 3,4 Prozent.

Umgerechnet in Mandate ergeben sich demnach 33 Sitze für Ruttes rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD). Wilders' Partei für die Freiheit (PVV) kommt auf 20 der 150 Parlamentssitze. Die Christdemokraten und die Democraten 66 holen jeweils 19.

Die Koalitionsbildung dürfte aber wegen der Zersplitterung der Parteienlandschaft schwierig werden. Mindestens vier Parteien müssen sich beteiligen. Deutsche Regierungspolitiker zeigten sich erleichtert über den absehbaren Wahlausgang.

Rutte, der nun eine dritte Amtszeit als Ministerpräsident in Sicht hat, wertete seinen Sieg als ein Ende „der falschen Form des Populismus“. Die Niederlanden hätten „Stop!“ gesagt, nachdem Großbritannien für den Brexit gestimmt habe und die USA Donald Trump zum Präsidenten gewählt hätten, sagte Rutte vor Unterstützern bei einer Wahlparty in Den Haag. „Wir wollen auf dem Kurs bleiben, den wir haben – sicher und stabil und erfolgreich“, sagte Rutte.

Grüne sind stärkste linke Kraft

Wilders, der im Wahlkampf mit radikalen Ansichten Stimmung machte, pochte darauf, dass unabhängig vom Ausgang der Wahl er und andere Populisten in Europa weiterhin präsent seien. „Rutte ist mich noch lange nicht los“, sagte Wilders. Seine PVV erhielt am Mittwoch rund zwölf Prozent der Stimmen – bedeutend weniger, als populistische Politiker in Großbritannien oder den USA jüngst erreichen konnten. „Das sind nicht die 30 Sitze, auf die wir gehofft haben“, sagte er. Die Wahlbeteiligung war hoch: 82 Prozent der 12,9 Millionen Wahlberechtigten gaben nach Schätzungen ihre Stimme ab.

Frankreichs Staatspräsident François Hollande gratulierte Rutte zu seinem „deutlichen Sieg gegen den Extremismus“. Werte wie Offenheit, Respekt für andere und der Glaube an Europas Zukunft, seien die einzige wahre Antwort auf nationalistische Regungen und Isolationismus, sagte Hollande in einer Mitteilung, die am frühen Donnerstagmorgen veröffentlicht wurde.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz schrieb auf Twitter: „Ich bin erleichtert, aber wir müssen den Kampf für ein offenes und freies Europa fortsetzen.“ Frankreich ist das nächste Land das im europäischen Superwahljahr abstimmen wird. Auch dort verspürt die rechtspopulistische Partei Front National derzeit Aufwind. Es wird erwartet, dass Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen, die sich unter anderem für einen Austritt Frankreichs aus der EU ausspricht, viele Stimmen sichern kann. In Deutschland wird im Herbst gewählt.

In den Niederlanden werden die Grünen den ersten Auszählungen nach erstmals mit 14 Abgeordneten stärkste linke Kraft im Parlament. Sie feierten das als historischen Sieg, erklärte Parteivorsitzende Marjolein Meijer. Es blieb zunächst unklar, ob Grünen-Chef Jesse Klaver seine Partei mit in die nächste Regierungskoalition einbringt. Im niederländischen Parlament sind viele kleinere Parteien vertreten, es wird mit langen Koalitionsverhandlungen gerechnet.

Die bisher mit Ruttes VVD koalierenden Sozialdemokraten, der auch Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem angehört, erlebten nach Angaben der ersten Ipsos-Prognosen einen Absturz von 38 auf nur noch neun Mandate. Nach diesem Wahlergebnis kann Dijsselbloem wahrscheinlich nicht Präsident der Eurogruppe bleiben.

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14 Kommentare

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  • In den Niederlanden hat Wilders mit seiner Partei verloren und die extrem Rechten im Lande sind erfreulich nörgelig - erfreulich, weil wir den Anlass kennen und lieben. :-D

     

    Was ist passiert? Die niederländische Regierung hat klare Kante gegenüber der türkischen Regierung gezeigt und nicht leicht säuselnd ihre Unzufriedenheit thematisiert. Das sollte auch deutschen Politikern eine Lehre dafür sein, wie eine Demokratie sich wehrhaft zeigt und in solchen Situationen die geinen Wahlen Wahlen zu gewinnen sind.

     

    Angstbezogen zurückziehen und die Wichtigkeit der Türkei als Begründung für die eigene Leisetreterei nehmen? Die Leisetreterei der Bundesregierung von de Maiziere bis Gabriel und Merkel hingegen wird die exrem rechten Parteien stärken. Mit so einem Verhalten werden Demokratie weder im Inalnd noch im Ausland verteidigt.

  • Was bitte bedeutet in diesem Zusammenhang "pro-europäisch" ?

  • Kein Wunder, dass der Verfasser dieses Artikels sich nicht traut, seinen Namen unter seinen Text zu setzen. Aber vielleicht war's auch ein Bot, die brauchen keinen.

     

    Nein, die Niederlande "bleiben" nicht "auf Pro-Europa-Kurs". Sie nehmen bloß das Tempo raus und hängen sich ne weite Jacke um. Mark Rutte war einfach der vermeintlich stubenreinere Geert Wilders. Und seine Wähler wollten nicht Europa, sondern das gute Gefühl, den Pelz gewaschen zu kriegen, ohne nass zu werden dabei. Danke, Medien!

     

    Rutte hat seinen Sieg unter anderem Herrn Erdogan zu verdanken, das sehe ich wie Sahra Wagenknecht. Allerdings ohne deren Schlussfolgerung zu teilen. Ruttes "Klare Kante gegen Erdogan" war NICHT richtig. Zumindest dann nicht, wenn es nicht nur um die Erlangung der Macht gegangen ist für ihn.

     

    Rütte hat sich treiben lassen, und zwar nach rechts. Ich hatte den Mann bisher nicht auf dem Schirm, aber ich vermute stark, dass es dazu nicht viel gebraucht hat. Die Medien nennen ihn einen "Rechtskonservativen", und wenn ich das nicht völlig falsch verstanden habe, stehen die Rechtskonservativen ohnehin für eine Politik der Harten Hand - allen gegenüber, die nicht willig sind, ihnen und ihren Anschauungen zuzujubeln. Würde er türkisch sprechen und zu Allah beten, hieße vermutlich auch ein Rütte Erdogan.

     

    Dass Sahra Wagenknecht Ambitionen hat, ist mir schon aufgefallen. Dass sie ihre linke Seele eintauschen würde gegen einen Platz ganz an der Spitze, gefällt mir gar nicht. Schließlich will ich meine Stimme am nächsten Wahlsonntag nicht gern verschenken Eine Alternative für Deutschland brauch ich nicht. Ich brauche eine zum rechtsdrehenden Mainstream. Diese Alternativen aber werden langsam knapp, und ich bin nicht die Kanzlerin. Ich will mich damit eigentlich nicht abfinden.

     

    Echt ärgerlich, dass so viel Europäer zwar ungern mündig, aber trotzdem die Bestimmer sein wollen – und dass die Politik nicht führen mag, sondern von Werbefuzzies siegen lernen.

    • @mowgli:

      Ruttes "Klare Kante gegen Erdogan" war NICHT richtig.

       

      Wieso war das nicht richtig?

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      "Kein Wunder, dass der Verfasser dieses Artikels sich nicht traut, seinen Namen unter seinen Text zu setzen."

       

      Aber darüber: dpa/ap

       

      Bleiben Sie bitte einfach - sachlich ;-)

    • @mowgli:

      Ihre Aussage: Nein, die Niederlande "bleiben" nicht "auf Pro-Europa-Kurs".

      Ich möchte ich Ihnen widersprechen. Für die Niederlande ist der „Nexit“ erst mal kein Thema mehr und war ohnehin nur die Idee und ein Hirngespinst von Wilders. Die Niederländer wissen, wie sehr sie als Handelsdrehscheibe mit Europa verbunden sind.

      Gleichwohl ist das Wahlergebnis nicht ein klares Bekenntnis für die EU. Solange Brüssel und die verantwortlichen in den Hauptstädten es nicht schaffen, den Bürgern die Vorteile eines vereinten Europa näherzubringen, wird die EU noch lange in schweren Fahrwassern verweilen. Solange die Nationalstaaten nur ihre eigene Sozial- und Steuersysteme gestalten – ohne sich die Frage zu stellen, ob sie auch nur in etwa zu den Systemen der Nachbarstaaten passen, solange werden viele Bürger die Vorteile eines vereinten Europas nicht erkennen können.

  • Na bitte - Geht doch.

    "…Nach diesem Wahlergebnis kann Dijsselbloem wahrscheinlich nicht Präsident der Eurogruppe bleiben."

    Soll seinen Ziehvater - die stehende Null zum Dank gleich mit Rausrollen!

    Egal woraus - Paschd scho - gell!

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Danke. Habe mir soeben inhaltlich Identisches aus den Fingern saugen wollen.

      Die Gefahr ist leider nicht gebannt, so lange der EU-Gefährder noch rumrollt.

      • @571 (Profil gelöscht):

        Jau. Bi lütten kann da ja wohl doch mal

        Käsekuchen - Käsekuchen

        Gerufen werden - gell!

  • Yeah!

     

    Ich ziehe meinen Hut vor den Niederländern. Ob man/frau nun Rutte an sich mag oder nicht, die Niederländer haben Wilders - eine der wohl ekelhaftesten und verachtenswertesten Gestalten der Europäischen Politik ever - gezeigt wo der Hammer hängt.

     

    Dennoch darf man sich nicht zurücklehnen, es sind immer noch viele zuviele, die den Populisten nachlaufen, in Frankreich tickt eine politische Bombe und Europa ist eine Baustelle von wahrhaft BERscher Dimension.

     

    Es gibt viel zu tun!

    • @Nachtvogel:

      ähem, ziehen Sie dann im Hernst auch den Hut vor den Deutschen, wenn die AFD zwischen 10 und 15 Prozentpunkte bekommt?

      • @MontNimba:

        "wenn die AFD zwischen 10 und 15 Prozentpunkte bekommt"

         

        Ich denke schon, dass ich da so was wie "erleichtert" wäre. Schauen Sie sich doch mal die Ergebnisse bei den Landtagswahlen an...

         

        Unterschied ist in D allerdings, dass es die AfD noch nicht so lange gibt und im Bundestag schon gar nicht.

         

        Noch erleichterter wäre ich, wenn es auch in D keine andere Partei gäbe, die mit der AfD koalieren würde.

         

        In D sind die Menschen leider nicht so klar und direkt. Und das in vielerlei Hinsicht.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Nachtvogel:

      Der Rechtspopulismus in Europa ist zu einem nicht unerheblichen Teil das Produkt verfehlter deutsch-egoistischer Europapolitik. Merkel müsste den leider übermächtigen (warum auch immer) Schäuble entlassen, wenn sie die Gefährdung der europäische Idee endlich ernst genug nehmen sollte.

      • @571 (Profil gelöscht):

        In der Tat, Merkel hätte von Kohl viel lernen können. Kohl hat oftmals das Scheckheft gezückt und gezahlt, weil er wusste, dass für ein einiges Europa „kein“ Preis zu hoch ist und es noch niemals in Europa eine solange Friedensphase gab!!!