Mindestlohn: Einfach drunter durch
PIN plant angeblich, Zeitungsausträger mit der Briefzustellung zu beauftragen. Für die ist der Mindestlohn umstritten - eine neue Variante, des Unterlaufens.
BERLIN taz Die PIN-Gruppe will offenbar versuchen, den für die Postbranche vereinbarten Mindestlohn zu unterlaufen. Dabei könnte das Tochterunternehmen des Springer-Konzerns eine Klausel des jüngst veränderten Tarifvertrages ausnutzen, nach der der Mindestlohn für Briefträger nicht automatisch für all jene gelten muss, die Briefe austragen. Einen entsprechenden Medienbericht wollte die PIN-Gruppe am Freitag nicht kommentieren, man prüfe aber alle Optionen, so eine PIN-Sprecherin. Für den Mehrheitsgesellschafter Springer komme eine Umgehung des Tarifvertrages jedoch nicht in Frage, so eine Konzern-Sprecherin. "Wir halten uns an Recht und Gesetz."
Die PIN-Gruppe hatte in dieser Woche angekündigt, rund 1.000 Beschäftigte zu entlassen und das Kartellamt einzuschalten - wegen des Mindestlohnes. Jetzt gibt es offenbar eine neue Idee: PIN könnte Zeitungszusteller mit dem Austragen der Post beauftragen. Diese könnten, je nach Rechtsauslegung, nicht unter den Mindestlohntarifvertrag fallen. Denn der gilt nach der jüngsten Änderung nicht für jede Person, die Briefe austrägt, sondern nur für Unternehmen, die "überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern".
Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di weist solche PIN-Überlegungen zurück. "Das hat keine Chance auf Umsetzung", sagte Gewerkschaftssprecherin Cornelia Haß der taz. Der Geltungsbereich des Tarifvertrages sei präzisiert worden, damit etwa Taxifahrer oder Einzelhändler, die ab und zu einen Brief mitnehmen, nicht unter den Mindestlohn fallen. Bei Unternehmen, die eine Briefzustellungslogistik aufbauen, sei dies jedoch der Fall. "Statt alle Energien darauf zu verwenden, seinen Mitarbeitern Hungerlöhne zahlen zu dürfen, sollte PIN sich besser um ein tragfähiges Geschäftsmodell kümmern."
Die Linksfraktion im Bundestag sieht allerdings ihre Befürchtungen bestätigt. "Die Neufassung des Mindestlohntarifvertrages lässt Unternehmen wie der PIN AG eine Hintertür für Lohndumping offen", sagte Fraktionsvize Werner Dreibus der taz. Verantwortlich dafür sei vor allem die Union. Sie habe mit ihrer Blockade des Postmindestlohns im Koalitionsausschuss Mitte November die Tarifparteien zur Veränderung des Tarifvertrags genötigt und damit in die Tarifautonomie eingegriffen. "Wer Branchenmindestlöhne will, darf den Tarifparteien keine Steine in den Weg legen."
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