Milizenkonflikte im Kongo: Alter Kriegsherd neu aufgeflammt
Die Provinz Ituri, wo es die größten Massaker des Kongokrieges gab, wird erneut von Gewalt erschüttert. Die Behörden dulden keinen Protest dagegen.
Unter den Protestierenden, die Straßen mit brennenden Reifen blockiert hatten, waren Vertriebene, die vor Massakern und Brandschatzungen in umliegenden Dörfern der Provinz Ituri geflohen sind und verlangen, dass etwas gegen Kongos neuesten Milizenkrieg getan wird.
Mindestens 30 Tote, über 600 verbrannte Hütten und über 10.000 Vertriebene zählt die „Kommission für Frieden und Gerechtigkeit“ der katholischen Kirche in einem neuen Bericht, der der taz vorliegt, in vier Tagen Gewalt von Milizen der Lendu-Volksgruppen an Zivilisten der Volksgruppe der Hema.
Der Hema-Kulturbund „Ente“ sprach am Sonntag von 23 Toten allein zwischen dem 2. und 4. Februar und rief alle Hema zum Generalstreik am Montag und Dienstag auf.
Ituris Krieg war schon einmal explosiv
In einem Land mit 4,3 Millionen Kriegsvertriebenen wäre die Gewalt von Ituri Routine, wenn sie nicht einem Muster folgen würde, das sich bereits einmal als explosiv erwies. 60.000 Tote forderten von 1999 bis 2003 Konflikte zwischen Hema- und Lendu-Milizen in Ituri, eine der blutigsten lokalen Kriegsfronten des Kongo während der damaligen Teilung des Landes zwischen Warlords.
Ituris Krieg rief 2003 sogar eine von Frankreich gestellte EU-Eingreiftruppe auf den Plan. Eines der schlimmsten Massaker an Hema, mit 966 Toten, verübten Lendu im April 2003 im Dorf Drodro, wo auch jetzt verletzte Opfer der neuesten Kämpfe im Krankenhaus landen. Drodro und das Nachbardorf Blikwa, Kern der aktuellen Angriffe, waren einst Hochburgen der Hema-Miliz UPC (Union kongolesischer Patrioten).
Heute ist die UPC eine politische Partei; ihr Exführer Thomas Lubanga wurde vom Internationalen Strafgerichtshof verurteilt, UPC-Militärchef Bosco Ntaganda steht dort derzeit vor Gericht. Die Führer der Lendu-Mliizen FRPI (Patriotische Widerstandskräfte von Ituri) und FNI (Integrationistische Nationalistische Kräfte) hingegen blieben verschont, manche ihrer Kämpfer bleiben aktiv.
Im Juni 2017 führte ein Mord an einem Lendu-Priester in Drodro zu Racheakten an Hema. Ehemalige FNI-Kämpfer sollen sich neu in Milizen gesammelt haben. Über 15.000 Menschen sind im Dezember nach Uganda geflohen. Ein Friedensschluss kurz vor Weihnachten 2017 hielt nicht. „Die Lendu-Kämpfer, mit roten Banderolen“, so der Kirchenbericht aus Bunia, „kommen nackt und schweigend, zünden Hütten an, nehmen die Güter mit und eliminieren die Personen, die sie sehen und die sich ihnen widersetzen.“
Lokale Medien werfen den Behörden Unfähigkeit vor. Provinzgouverneur Abdallah Pene Mbaka kehrte erst vor einer Woche von einem langen Aufenthalt in Kongos Hauptstadt Kinshasa zurück, sein Agrarminister wurde wegen Vergewaltigung festgenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte