Militärreform in Österreich: Aufruhr im Bundesheer
Österreichs sozialdemokratischer Verteidigungsminister feuert den Generalstabchef. Der hatte sich öffentlich gegen die Abschaffung der Wehrpflicht ausgesprochen.
WIEN taz | Von einem "Putsch gegen die Verfassung" spricht vorerst nur FPÖ-Chef Heinz Christian Strache. Doch in Österreichs Offizierskorps gärt es. Ausgelöst hat die Krise Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ), der am Montag Generalstabschef Edmund Entacher ablöste.
Entacher hatte in der jüngsten Ausgabe des Wochenmagazins profil die Heeresreformpläne des Verteidigungsministers kritisiert und hielt insbesondere die beabsichtigte Abschaffung der Wehrpflicht für schädlich. Die Abberufung folgte prompt. Auch Militärs müsse es erlaubt sein, öffentlich Kritik zu üben, war sich die Opposition einer Meinung mit der ÖVP.
Darabos, der als ehemaliger Zivildiener von vielen Uniformträgern nicht für voll genommen wird, erklärte seine Maßnahme mit einem Vertrauensbruch. Denn Entacher selbst habe ihm das Modell, in dem ein kleines Berufsheer mit Miliztruppen kombiniert werden soll, als Variante empfohlen. Dann sei er ihm in den Rücken gefallen.
Während Verfassungsrechtler sich noch nicht festlegen wollen, ob alles korrekt abgelaufen ist, tobt zwischen den Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP ein nicht deklarierter Krieg, wer als medialer Nutznießer aus der Affäre hervorgeht. Darabos weiß die mächtigen Boulevardblätter Kronen Zeitung, Österreich und das Gratisblatt Heute auf seiner Seite. Manche meinen, Darabos fungiere als Befehlsempfänger der Kronen Zeitung, die ihm nahegelegt hatte, endlich durchzugreifen. Sie fährt seit Monaten eine Kampagne gegen die Wehrpflicht.
Auch seine Parteigenossen stehen mehrheitlich stramm hinter dem Minister. Ausnahmen, wie SPÖ-Kultursprecher Peter Wittmann, der fürchtet, eine Berufsarmee würde schießwütige Rechtsextreme anziehen, bekommen Applaus vor allem aus der Opposition, die eine Sondersitzung des Nationalrats über die Armeereform einberufen will.
Die ÖVP hat zwar noch keine einheitliche Linie gefunden, wirft sich aber geschlossen in die Rolle der Kämpferin für Meinungsfreiheit. Innenministerin Maria Fekter verstieg sich gar dain, den abgesetzten Entacher mit Hitler-Attentäter Graf Stauffenberg zu vergleichen.
Unerwartet klar äußerte sich Bundespräsident Heinz Fischer, der Darabos am Dienstag zum Rapport zitierte. Fischer, ein Befürworter der Wehrpflicht, bezweifelte, dass die Abberufung des Generalstabschefs vor dem Verfassungsgerichtshof standhalten werde. Darabos hat zwei Monate Zeit, seinen Entschluss schriftlich zu begründen. Dann kann Entacher Einspruch erheben. Bis dahin wird die Debatte vielleicht wieder sachlicher geführt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus