Militärpräsenz vor Somalia: Piraten lassen sich nicht einschüchtern
Die Marinepräsenz schüchtert die Seeräuber nicht ein. Hinter den Kulissen wird bereits über mögliche Bodentruppen diskutiert.
NAIROBI taz Das Auffahren immer neuer Kriegsschiffe vor dem Horn von Afrika hat Somalias Piraten bisher keinen Dämpfer versetzt. Zwar wurde in der vergangenen Woche kein neues Schiff entführt - eine versuchte Kaperung vor Tansanias Küste schlug fehl -, doch die 25-köpfige Besatzung des saudischen Supertankers "Sirius Star" etwa wartet auch fast einen Monat nach der Verschleppung darauf, dass der staatliche Reeder und ihre Entführer sich auf ein Millionenlösegeld einigen.
Seeleute wissen um die Macht der Seeräuber: Aus Angst vor einem Angriff ließ der Kapitän des deutschen Kreuzfahrtschiffes "MS Columbus" die fast 250 Touristen an Bord am Mittwoch nach Dubai ausfliegen, während er das Schiff mit Kleinstbesatzung durch die gefährlichen Gewässer geleiten will. Eine beantragte Militäreskorte war vorher abgelehnt worden. Somalias Piraten, glaubt Andrew Mwangura von Kenias Seafarer Association, handeln nach wie vor aus einer Position der Stärke heraus.
"Die Piraten sind mit modernster Technik ausgerüstet und können aus 200 Kilometern Entfernung die Registriernummer eines Schiffs erkennen", weiß Mwangura. Dazu komme, dass die Hintermänner der Piraten international vernetzt seien und genau über Schiffe, Ladungen und Routen Bescheid wüssten. Auch die EU-Mission in den Gewässern rund um Somalia, an der nach Willen des Bundeskabinetts nun auch die Deutsche Marine teilnehmen soll, werde an der Überlegenheit der Piraten nichts ändern. "Kriegsschiffe sind allenfalls eine kurzfristige Lösung."
Mit solchen Einschätzungen steht Mwangura, der das Treiben der Piraten in der Region seit Jahren aufmerksam verfolgt, beileibe nicht allein da. Doch an immer kämpferischen Tönen aus aller Welt ändert das nichts. "Niemand sollte überrascht sein, wenn die chinesische Marine Schiffe schickt, um die Piraten auszuradieren", kündigte zuletzt der chinesische General Jin Yinan an.
Auch Somalias Piraten, die das Nachrichtengeschehen aufmerksam verfolgen, drohen inzwischen mit deutlichen Worten. Hieß es zunächst, man werde Besatzungen gut behandeln, meldete sich jetzt ein Pirat von Bord des ukrainischen Frachters "MS Faina" zu Wort, der die brisante Fracht von 30 Panzern an Bord hat. "Einige Crewmitglieder haben sich danebenbenommen", erklärte der Mann, nachdem offenbar mehrere Entführte versucht hatten, die Piraten zu überwältigen. "Sie riskieren ernsthafte Bestrafungen." Den Eignern riet er, sich mit den Verhandlungen über ein Lösegeld zu beeilen: "Die Besatzung ist frustriert, und wir sind es auch." Die Entführung dauert bereits mehr als zweieinhalb Monate. Insgesamt haben die Piraten derzeit gut ein Dutzend Schiffe und 200 Seeleute in ihrer Gewalt.
Während in Europa noch über den anstehenden Marineeinsatz diskutiert wird, wächst innerhalb der Vereinten Nationen der Druck, das Problem von Landseite zu lösen. "Es ist klar, dass die Piraterie eng mit dem Fehlen von Frieden und Stabilität in Somalia zusammenhängt", erklärte der UN-Sonderbeauftragte Ahmedou Ould Abdallah am Mittwoch zur Eröffnung eines zweitägigen Antipirateriegipfels in Nairobi. Am Donnerstag werden dazu 140 Regierungsvertreter aus 40 Ländern erwartet. "Wir hoffen, dass die hochrangige Besetzung zu mehr internationaler Zusammenarbeit führen wird", so Ould Abdallah. Deutlich sagen will es niemand, doch hinter den Kulissen wird bereits die Entsendung einer UN-Eingreiftruppe diskutiert. Seit Jahren hat der Sicherheitsrat entsprechende Anliegen vertagt, jetzt scheint die Zeit reif - zumal die somalische Regierung ihr Einverständnis signalisiert hat. Insider im UN-Hauptquartier in New York berichten, dass sich dort seit Wochen Somalia-Experten aus aller Welt die Klinke in die Hand geben. MARC ENGELHARDT
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