Milchpulvermangel in USA: Wenig hilfreicher Stillappell
US-Präsident Joe Biden verspricht Hilfe für Eltern. Besser wäre, die richtigen Voraussetzungen zu schaffen, damit Mütter stillen können.
E in Babymilchpulvermangel treibt in den USA Eltern in die Verzweiflung – und legt wieder einmal offen, wie sehr Menschen vor allem mit prekären Jobs im Stich gelassen werden. Zunächst der Lichtblick: US-Präsident Joe Biden hat nun eine Luftbrücke für Milchpulverimporte aus dem Ausland angeordnet sowie ein Gesetz aus dem Kalten Krieg angewendet, mit dem die Babymilchpulver-Unternehmen von Lieferanten bevorzugt vor anderen Kunden mit den nötigen Zutaten beliefert werden.
Aber warum musste es überhaupt erst so weit kommen? Klar, die Coronapandemie hatte Lieferketten beschädigt. Aber der aktuell heftige Mangel wird vor allem dem Ausfall einer Fabrik in Michigan zugeschrieben, die zur Firma Abbott gehört, dem größten Produzenten von Säuglingsnahrung in den USA. Nach dem Tod von Säuglingen, mutmaßlich wegen bakterieller Verunreinigungen, war das Werk geschlossen worden.
Bei einer derartigen Verletzlichkeit des Markts für ein so unentbehrliches Produkt müssen verlässliche Notfallpläne bestehen. Wer nun wie die Schauspielerin Bette Midler vor Kurzem in Reaktion auf den Mangel darauf hinweist, dass Stillen ja kostenlos und verfügbar sei – der verhöhnt Eltern noch zusätzlich. Selbst wenn sie wollten, könnten viele Mütter ihre Säuglinge nicht stillen. Zum Beispiel wegen medizinischer Probleme, weil Schmerzen das Stillen unerträglich machen – aber auch, weil es für viele Menschen mit ihrer Arbeit unvereinbar wäre.
Es gibt in den USA keinen landesweit geltenden gesetzlich zugesicherten Mutterschutz, keine Elternzeit wie in Deutschland. Dementsprechend sind viele Menschen schon sehr früh auf andere Säuglingsnahrung angewiesen, weil sie Geld verdienen müssen. Der Milchpulvermangel muss so schnell wie möglich behoben werden. Aber auch dann ist es doch ein Armutszeugnis: Wer stillen will und körperlich kann, sollte die Möglichkeit bekommen – und von Arbeitgeber*innen und Staat nicht so alleingelassen werden, wie es bei vielen der Fall ist.
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