Milchbauern in Schwierigkeiten: Kampf um Preisstabilität
Die Milchpreise sind in freiem Fall. Jetzt gründen die Bauern einen Milchboard. Dieser Zwischenhändler soll die Marktmacht der Bauern gegenüber dem Einzelhandel erhöhen.
Noch kein Jahr ist es her, da kippten die Bauern ihre Milch in den Rinnstein, weil sie weniger einbrachte, als die Produktion kostete. Und wieder befinden sich die Milchpreise im freien Fall. Etwa 20 Cent sind derzeit auf dem Weltmarkt für ein Kilogramm Milch zu bekommen - weniger als die Hälfte dessen, was die Bauern in Deutschland zum Überleben brauchen.
Die USA kaufen derzeit das erste Mal seit sechs Jahren wieder Butter, um den heimischen Markt zu stützen. Und auch die EU-Kommission in Brüssel reagierte in der vergangenen Woche und kündigte an, die Exportsubventionen für Milchprodukte wieder einzuführen. Sie müsse jetzt etwas tun, sagte Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel auf der Grünen Woche in Berlin. Von Entwicklungsorganisationen erntete sie dafür harsche Kritik. Der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Hans-Joachim Preuß, sagte, die Bauern in Afrika oder Asien könnten mit den neuen Dumpingpreisen nicht konkurrieren. Der Präsident des deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, begrüßte den Schritt aus Brüssel hingegen: "Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen."
Dieser Ansicht sind auch die im Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) organisierten Milchbauern. Mit steigenden Milchquoten und Exportsubventionen läuft politisch derzeit für sie alles in die falsche Richtung. Politische Lobbyarbeit allein genügt dem BDM deshalb nicht mehr. So will der Verband das Konzept der "Fairen Milch" aus Österreich in andere EU-Staaten ausweiten. In Österreich können Kunden im Supermarkt eine deutlich als "fair" gekennzeichnete Milch im Supermarkt kaufen, die den Milchbauern einen Preis von etwa 40 Cent pro Kilogramm Milch sichert.
Doch die Milchbauern, die mit dem Deutschen Bauernverband notorisch über Kreuz liegen, haben noch einen anderen Plan: Sie wollen ihre Ware in einem Milchboard bündeln. Dies wäre eine Art Zwischenhändler - nicht mehr beim einzelnen Bauern, sondern dort sollen die Molkereien ihre Milch kaufen und mit ihm über Preise verhandeln. Die Bauern würden so mehr Marktmacht erlangen, hofft Hans Foldenauer vom BDM. Kartellrechtlich unbedenklich sei das, weil das Marktstrukturgesetz aus den 60er-Jahren Landwirten erlaube, sich in Erzeugergemeinschaften zu organisieren. Die Idee funktioniere allerdings nur dann, wenn die überwiegende Zahl der Bauern im Milchboard organisiert seien, sagt Foldenauer. Bislang sind erst 25.000 der insgesamt etwa 100.000 Milchvieh haltenden Betriebe eingetreten. Bisher stünden viele Bauern dem Milchboard ablehnend gegenüber, erklärt Foldenauer. "Sie befürchten, die Bindung an ihre Molkerei zu verlieren." Die sind noch immer weitgehend genossenschaftlich organisiert - verkraften sie keine höheren Preise, kann das auch den Genossen, also den Milchbauern selber, nicht recht sein. "Auch wir haben kein Interesse daran, die Molkereien kaputtzumachen", sagt Foldenauer. Darum müssen sich die Bauern bei Eintritt in den Milchboard verpflichten, die Liefermenge an die Marktlage anzupassen. So könnten die Bauern sich an der jeweiligen Nachfrage orientieren und Preisstürze - aber auch Sprünge - verhindern, ganz ohne Quote.
Allerdings wird der Leidensdruck für die Milchbauern in nächster Zeit wachsen. "Nach Wegfall der Quote werden die Molkereien Einzelverträge mit den Betrieben abschließen und sie gegeneinander ausspielen", sagt der Belgier Erwin Schöpges vom European Milk Board. Die aktuelle Situation treibe Europas Bauern in den Ruin, sagt Schöpges: "Bei diesen Preisen können wir unsere Höfe nicht halten."
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