piwik no script img

Migration über das MittelmeerIhnen droht lebenslange Haft

Drei Männer sind wegen Terrorismus angeklagt. Sie sollen einen Tanker-Kapitän gezwungen haben, sie nicht nach Libyen zu bringen.

Senglea, Malta, 28.03.2019: Soldaten der Armed Forces von Malta (AFM) auf dem Schiff „El Hiblu“ Foto: Roberto Runza/Xinhua/picture alliance

Berlin taz | Die Generalstaatsanwaltschaft auf Malta hat einen Strafantrag gegen drei junge Mi­gran­t:in­nen aus Gambia und der Elfenbeinküste gestellt. Ihnen droht lebenslange Haft. Den dreien wird vorgeworfen, den Kapitän des Öltankers „El Hiblu“ im März 2019 gezwungen zu haben, sie und 105 weitere Menschen nicht nach Libyen, sondern nach Malta zu bringen.

Das Verfahren läuft bereits seit 2019. Die Staatsanwaltschaft beantragte nun, die zur Tatzeit 15, 16 und 19 Jahre alten Personen wegen „terroristischen Handlungen“, „illegalem Freiheitsentzug“, „rechtswidriger Abschiebung ins Ausland“ sowie „Gewalt“ zu verurteilen.

Am 25. März 2019 hatte ein Schlauchboot mit 108 Menschen von Gasr Garabulli in Libyen abgelegt. Das Boot verlor nach einiger Zeit Luft, wurde jedoch von einem Flugzeug der EU Mission Eunavfor Med entdeckt. Deren Kommando wies den in der Nähe fahrenden Öltanker „El Hiblu“ an, die Menschen aufzunehmen. Italienischen Medienberichten zufolge ordnete die Besatzung des Marineflugzeugs an, dass die „El Hiblu“-Crew die Menschen nach Libyen bringt.

Als die Geretteten bemerkten, dass sie wieder zurückfuhren, brachten sie den Kapitän dazu, den Kurs zu ändern und Richtung Malta zu fahren. Ein Sprecher der Armee Maltas sagte später, sie hätten die nur aus wenigen Männern bestehende Crew mit Werkzeugen bedroht und so zur Umkehr gezwungen.

„Entsetzlich und beschämend“ sei die Anklage

Maltas Militär nahm damals Kontakt zu dem Kapitän auf. Dieser gab an, keine Kon­trolle mehr über sein Schiff zu haben, eine Spezialeinheit der Marine von Malta stürmte das Schiff. Der Kapitän brachte die „El Hiblu“ in den Hafen von Valletta, die drei später Angeklagten wurden festgenommen.

Elisa De Pieri von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sagte am Donnerstag, der Generalstaatsanwalt habe mehr als viereinhalb Jahre gebraucht, „um die schlimmstmögliche Entscheidung zu treffen“. Es sei ein „Hohn auf die Gerechtigkeit“, dass die Männer, die als Vermittler zwischen der Besatzung und einer Gruppe von in Panik geratenen Asylsuchenden agierten, nun vor Gericht stünden.

Die Anklage verkenne, dass sie „mit einer illegalen Rückführung nach Libyen konfrontiert waren, die ihr Leben in Gefahr gebracht hätte“, so De Pieri. Die maltesische Justiz hätte die damaligen Minderjährigen weder in Erwachsenenstrafanstalten inhaftieren dürfen, noch sie vor Gericht wie Erwachsene behandeln. Zudem seien wichtige Zeugen als Zeugen nicht geladen worden. „Die Anklage hätte nie erhoben werden dürfen, aber noch ist Zeit für die maltesischen Behörden, die Anklage fallen zu lassen und den jungen Männern weiteres Unrecht zu ersparen“, sagte De Pieri.

„Entsetzlich und beschämend“ nannte Maurice Stierl vom Unterstützerkreis der Drei die Anklage. „Es gab keine Gewalt an Bord und der Kapitän wollte sie illegal nach Libyen zurückbringen, dem Ort, an dem sie Schrecken und Not erlebt hatten“, sagt Stierl. Die Geretteten hätten friedlich protestiert und als „Vermittler zwischen der Besatzung und der Gruppe der Migranten“ fungiert. „Sie kamen als Teenager mit Hoffnungen und Träumen, aber Malta hat ihnen die Jugend gestohlen“, sagt Stierl. Verzögerungen im Strafverfahren hätten dazu geführt, „dass sie jahrelang in Angst gelebt haben“. Nun sei auch ihre Zukunft ungewiss.

Schon zu Beginn der Verhandlung hatte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte die Anklage kritisiert. „Wir halten die Vorwürfe für übertrieben“,sagte damals Sprecherin Ravina Shamdasani.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Was Gewalt ist, müsste doch vielmehr aus der Perspektive des Opfers zu verstehen sein.



    Aus der Perspektive des Opfers ist die Grenze vom Protest zum Befehl eine andere.

  • Leider wird die Behauptung, eine Anlandung in Lybien wäre "illegal" gewesen, unkommentiert stehen gelassen. Wo ist es geregelt, dass ein Schiffbrüchiger an einen Ort seiner Wahl zu bringen ist? Steht es nicht vielmehr dem Kapitän anheim, entweder einen nahen Hafen anzusteuern, oder den Schiffbrüchigen bis zum Zielhafen mitzunehmen?