piwik no script img

Mietpreise in BremenProfite auf Staatskosten

Bremen muss viel mehr Wohngeld zahlen. Und für Hartz-IV-Empfänger gibt es weiterhin kaum Angebote, obwohl sie jetzt mehr für Miete ausgeben können

Kein Platz für Singles: In Tenever haben die Wohnungen zumeist drei Zimmer Foto: Jan-Paul Koopmann

Die Zahl der BremerInnen, die Wohngeld bekommen, hat sich 2016 verdoppelt – im Vergleich zum Vorjahr. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei hervor.

2015 wurden demzufolge 7.691 Anträge gestellt, 2016 aber schon 13.788. Die meisten kommen aus der Neustadt, der Vahr, Osterholz und Gröpelingen. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres gingen insgesamt 3.241 Wohngeldanträge ein. Die Folge: Auf einen Bescheid muss man derzeit bis zu fünf Monate lang warten. Der enorme Anstieg habe zwar auch mit der Wohngeldreform zu tun, die 2016 in Kraft trat, konstatiert die Linkspartei, trotzdem lege er offen, „wie sehr die Entwicklung von Einkommen und Wohnkosten auseinanderklafft“, sagt Claudia Bernhard, Wohnungspolitikerin der Linksfraktion.

Wie schwer es Menschen mit geringem Einkommen in Bremen gerade haben, zeigt eine stichprobenartige Erhebung des Bremer Erwerbslosenverbandes (BEV). Am vergangenen Wochenende enthielten die Anzeigen der örtlichen Zeitungen sowie der Wohnungsbaugesellschaften Gewoba und Vonovia laut BEV lediglich zwei Einzimmerwohnungen von 34 und 31 Quadratmetern Größe, die zu den Konditionen des Jobcenters hätten angemietet werden können. Dieser Stichprobenvergleich bestätige die Beobachtungen der letzten Wochen, so BEV-Sprecher Herbert Thomsen.

Zwar darf seit dem Frühjahr mehr Geld fürs Wohnen ausgeben, wer Hartz IV oder Grundsicherung im Alter bekommt – Single-Haushalte beispielsweise können jetzt 455 statt 377 Euro Bruttokaltmiete ausgeben, also 20 Prozent mehr als vorher, und zu zweit ist sind es jetzt 464 statt 428 Euro –, genutzt habe das aber allein den VermieterInnen, so der BEV – zu Lasten des Steuerzahlers. „Wie befürchtet, haben vor allem die Wohnungsgesellschaften die Anhebung der Grenzen für eine drastische Anhebung der Mieten genutzt“, sagt Thomsen. So nutze die Vonovia das knappe Wohnungsangebot, um selbst in wenig begehrten Wohngebieten wie Hinter den Ellern in Hemelingen oder Wohlers Eichen in Oslebshausen die Miete „sogar bis über die Obergrenzen hinaus anzuheben“, so der BEV. In der Folge müssten sich fünf Personen eine Drei-Zimmer-Wohnung teilen.

„Wir achten darauf, dass der Wohnraum der Personenzahl angemessen ist“, sagt dazu ein Sprecher der Vonovia. Im übrigen verweist er darauf, dass Mieterhöhungen „im gesetzlichen Rahmen“ stattfinden und „Mietanpassungen“ sich an der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ in Bremen orientieren. Die durchschnittliche Miete bei der Vonovia in Bremen liege bei 5,30 Euro pro Quadratmeter, so der Firmensprecher – der von „moderaten Preisen“ spricht.

Bei der halbstaatlichen Gewoba soll zwar gemäß der Firmenpolitik ein Viertel aller Wohnungen „Hartz-IV-kompatibel“ sein, allerdings stammt der größte Teil ihres Bestandes von 42.000 Wohnungen aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren – zumeist Dreizimmerwohnungen in der Vahr, in Osterholz oder Huchting. Neu gebaut hat die Gewoba im vergangenen Jahr 260 Wohnungen, 105 wurden öffentlich gefördert. Seit 2012 wurden nach Firmenangaben insgesamt 600 Wohnungen fertiggestellt, 2017 sollen noch mal genauso viele gebaut werden.

Zwar sollen drei Förderprogramme des rot-grünen Senats im Wert von 120 Millionen Euro jeweils 600 bis 800 neue Sozialwohnungen schaffen, doch die angestrebte Quote von 350 Wohneinheiten jährlich wurde bisher deutlich unterschritten. Zugleich ist der Bestand an Sozialwohnungen im Land Bremen nach Angaben des Bauressorts von knapp 80.000 Sozialwohnungen im Jahr 1990 auf aktuell 7.400 gesunken.

Von einer Mietpreisexplosion könne keine Rede sein, findet Haus & Grund

Die Linke fordert weiterhin den Aufbau eines gemeinwohlorientierten Sektors in der Wohnungswirtschaft und den „massiven Ausbau“ von kommunalem Wohnungsbestand. Außerdem sollen städtische Grundstücke zu niedrigen Pachtzinsen statt meistbietend vergeben und Förderprogramme für Wohnungen mit dauerhafter Sozialbindung aufgelegt werden – bisher ist die stets befristet. „Vorwiegend privater Neubau allein löst die Probleme nicht“, so Bernhard. „Das ist nicht zu übersehen.“

Haus & Grund, die Lobby der HausbesitzerInnen sagt dagegen: „Von einer Mietpreisexplosion kann in Bremen keine Rede sein.“ Der durchschnittliche Quadratmeterpreis von 6,67 Euro in Bremen „sucht im Vergleich zu den übrigen der elf größten Städte Deutschlands seinesgleichen“, so Haus & Grund.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!