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Mietenwahnsinn in BerlinGroßereignis Wohnungssuche

Eine Mietwohnung in Berlin zu finden, ist wie ein Lottogewinn. Für geflüchtete Menschen ist die Lage noch aussichtsloser.

Eine Wohnung in Berlin zu finden, ist wie ein Lottogewinn Foto: dpa

A ls sich herumgesprochen hatte, dass ich eine neue Wohnung in Berlin gefunden hatte, wurde ich plötzlich zu einer gefragten Person in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Ich wurde sozusagen ihr Hauptgesprächsthema. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer; ein großes Ereignis, ein Traum, der wahr wurde.

Da ich also bald mit meinem Freund in die neue, schöne Dreizimmerwohnung ziehen würde, würde meine alte Einzimmerwohnung frei werden – so dachten viele, bis ich ihre Hoffnung zerschlagen musste, da die alte Wohnung schon längst anderweitig versprochen war.

Noch immer bekomme ich Tag und Nacht Anrufe mit Anfragen von Deutschen und Nichtdeutschen, die ich teilweise nicht einmal kenne. Sie erkundigen sich nach der Wohnung, der Höhe der Miete, der Größe und der Lage. Meine Antwort ist für sie stets eine herbe Enttäuschung. Wenn ich ihnen dann erzähle, dass ich die neue Wohnung in Neukölln einfach übers Internet gefunden habe, aber dafür auch über 1.000 Euro Miete zahle, sagen sie: „Nein! Unmöglich! Bist du verrückt? Das ist doch wahnsinnig teuer.“ Ich erwidere: „Ja, ich weiß. Aber findet ihr mir vielleicht eine ähnliche oder überhaupt eine Wohnung für einen besseren Preis?“

Ich lebe inzwischen seit fast fünf Jahren in Berlin. Schon am Anfang sagten mir meine Freunde, dass es extrem schwer sei, eine Wohnung hier zu finden. Heute, nach fünf Jahren, ist es praktisch unmöglich geworden, eine Wohnung für eine günstige oder jedenfalls angemessene Miete zu finden. Die Mieten sind erschreckend in die Höhe geschossen, das Angebot ist gering und der Bedarf steigt stetig. Suchende sind mittlerweile so verzweifelt, dass sie sogar dazu bereit sind, mehr als die Hälfte ihres Einkommens für ihre Miete auszugeben.

Wir, die als Geflüchtete in Deutschland angekommen sind, gehören zu diesen durch die hohen Mieten stark benachteiligten Gruppen. Es ist praktisch unmöglich, einen Vermieter zu finden, der uns akzeptiert, auch für diejenigen von uns, die einer Arbeit nachgehen und alle Unterlagen vorweisen können. Vermieter bevorzugen immer Deutsche, Europäer und Amerikaner. Der Rest hat kaum eine Chance.

In diesem Mieterwettbewerbsklima gedeihen die Spekulationen der Immobilienmakler. Manche von ihnen wollen auch ihre Maklerprovision illegal und ohne Quittung, bar auf die Hand haben. Einige Flüchtlinge sind durch solche Makler inzwischen schon hoch verschuldet. Aber was ist die Lösung? Wo sind die Gesetze, die uns alle aus dieser Krise herausholen und uns endlich von der Gier der Immobilienmakler befreien?

Aus dem Arabischen von Mustafa Al-Slaiman

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Kefah Ali Deeb
Kefah Ali Deeb wurde 1982 in Latakia, Syrien, geboren und ist 2014 nach Berlin geflohen. Sie ist bildende Künstlerin, Aktivistin und Kinderbuchautorin, außerdem Mitglied des National Coordination Committee for Democratic Change in Syrien.  
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8 Kommentare

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  • Der, wodurch auch immer, nahezu zwanghaft befeuerte Wunsch oder Drang unbedingt in einer der Metropolen zu wohnen, garantiert den Wohnungsbesitzern und somit potentiellen Vermietern eine stetig sprudelnde Geldquelle. Diese sprudelt immer heftiger, da es ja offensichtlich so schwer zu begreifen ist, dass es nicht grundsätzlich an Wohnraum fehlt, sondern nur punktuell. Dass sich die Punkte mit dem Prädikat "hipp" schmücken, welches ihnen durch wen auch immer verliehen wurde, ist offensichtlich von allergrößter Bedeutung. Wichtig ist, wo man z.B. sein Studium abbricht. Das muss schon Berlin oder München sein. Da ist abends was los und ich habe eine viel größere Auswahl an schlecht bezahlten Nebenjobs, welche mir Studienzeit rauben, mir aber helfen, meine überteuerte Studentenbude zu finanzieren. Als Mediendesigner in Berlin unterbezahlt zu krebsen oder gar zu scheitern ist hipper als in BaWü, Niedersachsen sogar in Brandenburg und Sachsen seine Fähigkeiten im IT-Sektor zum eigenen Fortkommen und gut bezahlt einzubringen. Berlin, Du bist so wunderbar - übervoll.

  • Ich gebe mal einen Tip ab, wo eine bezahlbare Wohnung zu finden ist: in Brandenburger-Umland oder weiter südlich. Jetzt kommen die Fans des Urbanismuß: da will doch keiner hin. Genau. Berlin ist wie München, alle wollen am Starnberger See wohnen.

  • 0G
    06543 (Profil gelöscht)

    Weshalb braucht es da Gesetze? Es fehlt schlicht und ergreifend Wohnraum und der ist halt nicht da. Gilt für "biodeutsch" und "zugewandert" gleichermaßen. Und Berlin ist bei den Mieten im Vergleich zu anderen Hauptstädten noch recht provinziell.

    Da liegt Grünspecht mit dem Verweis auf Angebot und Nachfrage völlig richtig. Es gibt eben kein Recht auf günstiges Wohnen in einer Metrople.

  • Letztendlich lässt sich alles auf die alte marktwirtschaftliche Regel von Angebot und Nachfrage zurückführen. Fakt ist, es KÖNNEN einfach nicht alle nach Berlin. Wenn es aber alle versuchen, dann gehen eben die Preise hoch.

    Der Ruf nach Gesetzen ist da nicht zielführend. Und im Übrigen gibt es auch kein Grundrecht auf billiges Wohnen in Metropolen.

    • @Grünspecht:

      Der Hinweis auf "alte marktwirschaftliche Regel" ist nicht zielführend. Die sind keine Naturgesetze, sie sind künstlich von der Politik gesteuert/diktiert.

      Vielleicht sollte es KEIN Grundrecht auf "magisches Geld-Vermehren" auf die Kosten anderen, nicht vermögenden Mitmenschen?

      • @Ninetto:

        In der DDR hat man dieses Problem einfach gelöst. Der Staat hat bestimmt, wer nach Ost-Berlin ziehen darf.



        Wäre Ihnen eine solche Lösung lieber?

      • @Ninetto:

        @Ninetto,



        sorry, aber das hat doch mit politischer Steuerung nichts zu tun.

        In Berlin ist die Nachfrage nach Wohnungen einfach größer als das Angebot. Die Folge: Die Wohnungen werden teurer und steigen im Wert (was nicht magisch sondern logisch ist) und trotzdem bekommen nicht alle eine.

        Der Politik können Sie den Vorwurf machen, dass zu wenig gebaut wird. Der wäre berechtigt.

  • 0G
    06831 (Profil gelöscht)

    Die Suche ist für jeden extrem schwierig.



    Wenn alle in die Stadt möchten, ist das ein großes Problem und ermöglicht diese enorme Gier der Vermieter.



    Sie haben doch eine Wohnung gefunden, auch als Flüchtling.



    Schreiben Sie doch mal über Ihre Erfahrung diesbezüglich.



    War es einfach? Gab es unangenehme Fragen? Wie haben die Vermieter reagiert.



    Das würde mich interessieren.



    Danke!