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Mietenproteste in BerlinDer Kiezdrache fletscht seine Zähne

Eine Demo in Kreuzberg fordert mehr Mieter:innenschutz. Der Bund soll ihrem Drachen den Zahn des Vorkaufsrechts zurückgeben.

Widerständiger Laternenumzug gegen Verdrängung in Kreuzberg Foto: Christian Mang

BERLIN taz | Kreischend rennen die Kinder vor dem Ungetüm weg, das sich am Samstagabend durch die Kreuzberger Straßen schlängelt. Immer wieder bleiben sie stehen und bieten dem 10 Meter langen Drachen mit dem offenen Maul Paroli. Todesmutig schreit ihm ein kleiner Junge entgegen: „Weg mit dir, du grot…!“ – aber dann kommen ihm die riesigen Zähne doch zu nahe und er ergreift mit seinen Genossinnen die Flucht. Wie der Satz wohl geendet hätte? Weg mit dir, du … groteskes Mietenmonster? Du grottiges Verwaltungsgericht?

Doch die beiden Drachen, die die Initiative Bizim Kiez jedes Jahr zum Leben erweckt, stehen eigentlich auf der Seite der Kinder. Fumara und ihr Drachenjunges Schnaub sind die mächtigen Verbündeten der Anwohnerinnen im Kampf gegen den Mietenwahnsinn. Und sie werden auch dringend gebraucht, denn in letzter Zeit mussten Mie­te­r:in­nen eine Niederlage nach der anderen einstecken. Mietendeckel gekippt, Vergesellschaftung auf Eis gelegt – und nun hat das Bundesverwaltungsgericht auch noch das Vorkaufsrecht der Bezirke ausgehöhlt. Langsam schwinden die Instrumente, um Mieten bezahlbar zu halten und Verdrängung der Anwohnerinnen aus der Innenstadt zu vermeiden.

Bea von Bizim Kiez treibt den Drachen durch fleißiges Pedaletreten an. Das Urteil vom 9. November hätte sie – fast! – sprachlos gemacht: „Es gab ja schließlich eine klare Forderung – die Abwendungsvereinbarung. Wenn Käufer so eine Vereinbarung abgelehnen, weiß man genau, was passiert“, sagt sie. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei deswegen zutiefst ungerecht und falsch.

Denn nach dem am Dienstag faktisch gekippten kommunalen Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten droht vielen Berliner Mie­te­r:in­nen die Verdrängung aus ihren Wohnungen: Bei einigen Vorkäufen, in denen noch Klagen und Widersprüche laufen, drohen Rückabwicklungen. Zudem sind deutlich mehr als 600 Wohnungen aus 32 derzeit laufenden Vorkaufsfällen vom Urteil wohl direkt betroffen. Hier haben Land und Bezirke zumindest bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts den Vorkauf geprüft. Betroffen sind zehn Fälle in Neukölln, acht in Mitte, sieben in Friedrichshain-Kreuzberg, fünf Fälle in Charlottenburg-Wilmersdorf und jeweils einer in Pankow und Treptow-Köpenick.

Kurz vor dem Vorkauf gestoppt

Eine Mieterin, die seit 32 Jahren in der Naunynstr. wohnt, war am Samstag ebenfalls mit den Drachen auf der Straße. Auch ihr Haus soll verkauft werden. Mit ihren Nach­ba­r:in­nen war sie schon kurz davor, beim Bezirksamt einen Vorkauf zu erreichen. „Aber was hat uns das jetzt genutzt?“, fragt sie frustriert.

Was passieren kann, wenn die Stadt keine Möglichkeit mehr hat, den Verkauf an profitorientierte Akteure zu verhindern, erfährt gerade der Kinderladen „irgendwieanders“ in der Oppelner Straße, der dieses Jahr eine besonders wichtige Station für den Drachen war. Der Eigentümer des Hauses will in den nächsten drei Jahren die Miete gestaffelt auf letztendlich 17 Euro pro Quadratmeter erhöhen.

„Das wäre für uns zu teuer“, sagt Nina Hofeditz, Leiterin und Geschäftsführerin von „irgendwieanders“. Kinder, deren Eltern nicht beide voll arbeiten, bekämen zur Betreuung weniger Geld. „Wir wollen aber auch Kinder mit Fluchthintergrund, bei denen die Mutter vielleicht noch einen Deutschkurs macht. Oder Kinder, bei denen die Mutter einfach Hausfrau ist – ist ja auch völlig okay.“ Dafür müssten die Eltern dann im Kinderladen auch mal putzen oder sich anderweitig einbringen.

Soziales Zentrum im Kiez

Auch sonst leistet der Kinderladen schon lange wichtige Arbeit im Kiez: Als 2015 Geflüchtete in der Sporthalle einer Schule in der Nähe einquartiert waren, habe der Kinderladen sie jeden Samstag eingeladen. Es wurde gekocht und Deutschkurse fanden statt. Danach seien auch viele Kinder aus der Unterkunft regulär in den Kinderladen gekommen. „Es ist wirklich mehr als nur so ein Kinderladen. Das ist eine Art soziales Zentrum, ganz viele Initiativen für den Kiez gehen von hier aus“, sagt auch ein Vater auf der Demo.

Das Problem für den Kinderladen und vergleichbare soziale Einrichtungen ist, dass sie demselben Gesetz unterliegen wie alle anderen Gewerbe. Das heißt: Es gibt keine Deckelung der Miete, obwohl soziale Einrichtungen keine profitorientierten Unternehmen sind. Angesichts der fehlenden Kita-Plätze in der Hauptstadt ist diese Gesetzgebung problematisch. Genau wie nun das Vorkaufsrecht kann dies nur bundesweit gelöst werden.

Der Kinderladen „irgendwieanders“ steht stellvertretend für eine ganze Reihe von Mieterinnen, sozialen Einrichtungen und Kleingewerben, die aus der Stadt verdrängt werden. Am Samstag laufen insgesamt um die 1.000 Menschen mit den Drachen mit, um ihre Solidarität und ihre Frustration auszudrücken – darunter auch Häuserinitiativen, die mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts jede Hoffnung verloren haben, Vertreter der Deutsche Wohnen enteignen. Auch die Schülerinnen Mascha und Pepper sind am Samstag auch wegen ihres Kinderladens und wegen zu hoher Mieten auf der Straße.

Mascha hofft: „Wenn wir sehr lange demonstrieren, ist die Mieterhöhung vielleicht wenigstens nicht so hoch.“ Auf die Frage, ob sie glauben, dass sie etwas bewegen können, folgt ein promptes „Ja!“, gleich gefolgt von einem resignierten: „Na ja, manchmal hilft das, manchmal aber auch nicht.“

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1 Kommentar

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  • Eine Wohnung zu bauen, zu verwalten und zu untehalten ist ein gewaltiger finanzieller aufwand. Wenn Mieter nicht bereit sind, diesen Aufwand mit einem angemessenen Gewinnaufschlag zu bezahlen, werden die Wohmungen immer weniger und sie werden in immer schlechterem Zustand sein. Wohin Mietdumping führt, hat uns die DDR drastisch vor Augen geführt.



    Noch drastischer ist es, wenn verlangt wird, dass Vermieter im Fall der KiTa die Rolle des Sozialstaats übernehmen sollen. Wenn die Allgemeinheit KiTa-Plätze fördern will. ist das in Ordnug und sogar erforderlich. Diese Förderung kann jedoch aus oben genanntem Grund der Vermieter übernehmen. Genau dafür gibt es den Sozialstaat.