Mieten in Berlin ganz offiziell gestiegen: Spiegel der Begehrlichkeiten
Laut dem neuen Mietspiegel sind vor allem kleine und große Altbauten teurer geworden. Ihre Bewohner müssen mit einer Mieterhöhung rechnen.
Die Mietpreisbremse hält nicht, was ihr Name verspricht: Die Berliner Mieten sind seit 2015 trotz des Gesetzes deutlich schneller gestiegen als zuvor. Sie legten im Schnitt um jährlich 4,6 Prozent zu – zwischen 2013 und 2015 waren sie um jährlich 2,7 Prozent gestiegen. Das geht aus dem am Freitag vorgestellten neuen Mietspiegel hervor. Die dort erhobene Durchschnittsmiete liegt inzwischen bei 6,39 Euro pro Quadratmeter nettokalt.
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) bezeichnete die Mietsteigerungen als dramatisch. „Das ist ein Alarmsignal“, sagte sie. Die Zahlen verdeutlichten die angespannte Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Sie seien aber auch ein Ausdruck der bislang begrenzten Preisregulierung. „Es reicht nicht, über Neubau zu sprechen“, sagte Lompscher. Auch der Bestand müsse besser geschützt werden.
Der Mietspiegel bietet eine Übersicht über die üblichen Mieten für die insgesamt 1,4 Millionen nicht preisgebundenen Wohnungen in Berlin. Er wird alle zwei Jahre erneuert. Ein Forschungsinstitut erhebt dafür Daten von Mietern und Vermietern. Wohnungen werden je nach Größe, Lage, Ausstattung und Alter des Hauses in vergleichbare Gruppen unterteilt. In einer Tabelle kann jeder die sogenannte ortsübliche Vergleichsmiete für seine Bleibe bestimmen (siehe Kasten).
Die gestiegenen Zahlen werden für viele Berliner unschöne Folgen haben. Wohnungseigentümer erhalten damit einen größeren Spielraum bei Mieterhöhungen. Und seit die Mietpreisbremse gilt, ist der Mietspiegel auch für Wohnungssuchende wichtig: Die Miete darf bei Abschluss eines neuen Vertrags die ortsübliche Miete um höchstens zehn Prozent überschreiten. Auch da können Vermieter jetzt mehr verlangen – selbst wenn sie sich an die Mietpreisbremse halten.
Katrin Schmidberger.
Die höchste Steigerung gab es Lompscher zufolge in Altbauten, die vor 1918 errichtet wurde. Hier gingen die Mieten um jährlich 6,3 Prozent in die Höhe. Vor allem für kleine Wohnungen unter 40 Quadratmeter und große Wohnungen über 90 Quadratmeter zogen die Preise deutlich an. Die geringste Steigerung gab es in Ostwohnungen der 70er, 80er oder 90er Jahre.
In den Ostplattenbauten lebt es sich derzeit auch am billigsten: Für eine große Wohnung in einfacher Wohnlage liegt die ortsübliche Miete bei 4,70 Euro pro Quadratmeter nettokalt. Am teuersten sind kleine Wohnungen in Neubauten: Hier wurden im Mietspiegel für mittlere Wohnlagen im Schnitt 14,19 Euro pro Quadratmeter ermittelt.
Im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten ist Berlin allerdings immer noch billig. In München liegt nach Angaben der Stadtentwicklungsverwaltung die im Mietspiegel erfasste Durchschnittsmiete inzwischen bei 11,23 Euro pro Quadratmeter. Die Hamburger kamen 2015 auf 8,02 Euro, der neue Mietspiegel für 2017 wird dort erst noch veröffentlicht.
Miete als Armutsrisiko
Der Mietspiegel soll Transparenz schaffen und Sicherheit für Mieter und Vermieter herstellen. Senatorin Lompscher bezeichnet ihn als "wichtiges Instrument des sozialen Mietenfriedens". Interessenvertreter sind an der Ausarbeitung beteiligt. Der Verband Haus und Grund will den Mietspiegel 2017 nicht anerkennen, die Eigentümer halten die Mieten für zu niedrig. Der Mietspiegel gilt trotzdem.
Berücksichtigt werden im Mietspiegel nur Mietverträge, die in den letzten vier Jahren verändert (sprich die Mieten erhöht) oder neu abgeschlossen wurden. Das kritisieren MietervertreterInnen: Die deutlich höheren Neuvertragsmieten trieben die Werte nach oben. Laut Lompscher setzt sich Berlin auf Bundesebene dafür ein, veränderte Verträge der letzten zehn Jahre aufzunehmen.
Abfrage für die eigene Wohnung unter www.stadtentwicklung.berlin.de
Da nehmen sich 6,39 Euro in Berlin fast schon moderat aus. „Das ist kein Grund zur Entwarnung“, so Lompscher. Schließlich sei das Durchschnittseinkommen in Berlin weitaus geringer als in München oder Hamburg.
Der Berliner Mieterverein warnte denn auch eindringlich, dass für breite Schichten der Bevölkerung die steigende Mietbelastung zu einer massiven Bedrohung des Lebensmittelpunktes würden; für Haushalte mit wenig Geld sei die Miete inzwischen ein Armutsrisiko. „Das Mietrecht im Bund muss endlich grundlegend zugunsten der Mieter verschärft werden“, forderte die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidberger. Der Gesetzgeber habe die Entwicklungen verschlafen, kritisierte auch der Mieterschutzbund.
Das richtet sich nicht gegen Senatorin Lompscher, sie ist erst im Dezember ins Amt gekommen. Doch die Zahlen zeigen, wie groß die Aufgabe ist, die vor ihr liegt. Der Senat werde über Neubau auf die Entwicklung Einfluss nehmen, so die Senatorin. Genossenschaften sollen unterstützt und der Milieuschutz intensiver angewendet werden. Noch sei sie „im Probehalbjahr“. Aber bei der Vorstellung des nächsten Mietspiegels in zwei Jahren werde sie sich an den Ergebnissen messen lassen, versprach Lompscher.
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